Geld- und Fiskalpolitik

Helfer, nicht Diener

In den vergangenen Jahren zog es immer mehr Politiker in die Zentralbanken – speziell in die Europäische Zentralbank (EZB), wo mit Christine Lagarde und Luis de Guindos sogar zwei Ex-Minister die Spitze bilden. So manchen lockte sicher auch die...

Helfer, nicht Diener

In den vergangenen Jahren zog es immer mehr Politiker in die Zentralbanken – speziell in die Europäische Zentralbank (EZB), wo mit Christine Lagarde und Luis de Guindos sogar zwei Ex-Minister die Spitze bilden. So manchen lockte sicher auch die Macht der Notenbankpresse. Nun sind quasi im Gegenzug zwei mächtige Ex-Zentralbanker auf Schlüsselposten in der Politik ge­rückt: Ex-EZB-Präsident Mario Draghi ist nun Regierungschef in Italien, Ex-Fed-Chefin Janet Yellen Finanzministerin in den USA. Im besten Fall hilft das, dass sich die Zentralbanken auf ihre Kernaufgaben besinnen und ihre Unabhängigkeit wahren. Im schlimmsten Fall verstärkt es ihre Politisierung und die ak­tu­elle Abhängigkeit von Geld- und Fiskalpolitik. Leider spricht mehr für Letzteres.

Hoffnung macht, dass Dra­ghi und Yellen an der Spitze der EZB und der Fed stets eine aktivere Rolle der Fiskalpolitik angemahnt haben, vor allem bei der Bewältigung von Krisen – um so die Geldpolitik zu entlasten. Tatsächlich hat sich vor allem in Euroland die Politik viel zu oft hinter der EZB versteckt. In der Coronakrise haben nun zwar die Regierungen das Zepter übernommen, auch weil die Geldpolitik an Grenzen stößt. Draghi und Yellen müssen aber sicherstellen, dass sich die Politik auch künftig nicht wieder aus der Verantwortung stiehlt. Dabei geht es aber nicht um blindwütiges Geldausgeben. Draghi selbst hat im August 2020 etwa „gute“ und „schlechte“ Schulden unterschieden. Es müsse darum gehen, in Humankapital, wichtige Infrastruktur oder Forschung zu investieren, mahnte er. An diesen Worten muss er sich nun messen lassen.

Das Gleiche gilt für das Thema Strukturreformen, zu denen Draghi und Yellen als Notenbanker die Politik stets aufgefordert haben. Weltweit besteht da ein eklatanter Nachholbedarf, wie auch die mangelnden Fortschritte bei der Produktivität zeigen. Speziell Draghi hat nun mit seinem Versprechen, das Steuer- und Justizsystem sowie die öffentliche Verwaltung Italiens zu reformieren, einen gu­ten Aufschlag gemacht. Angesichts der teils diametral gegensätzlichen Positionen der ihn tragenden Parteien scheint ein großer Wurf aber fraglich. Für Draghi könnte es sich als schwerer erweisen, Italien zu retten, als einst den Euro und Europa mit seinem Whatever-it-takes-Versprechen. Er muss alles versuchen, seinen großen Worten große Taten folgen zu lassen.

Ein besserer Mix aus Fiskal-, Struktur- und Geldpolitik würde es den Zentralbanken grundsätzlich erlauben, sich wieder auf ihre originäre Kernaufgabe zurückzuziehen – die Sicherung von Preisstabilität. Seit der Weltfinanzkrise sind sie zu einem, wenn nicht dem zentralen wirtschaftspolitischen Akteur geworden und haben ihre Mandate mindestens bis zum Äu­ßersten ausge-, wenn nicht überreizt. Das hat sie zur Zielscheibe von links wie rechts werden lassen und zugleich stets neue Begehrlichkeiten geweckt. Die überzogenen Er­war­tungen an die Zentralbanken beim Kampf gegen den Klimawandel sprechen da Bände. Am Ende gefährdet diese Politisierung auch die Unabhängigkeit der Zentralbanken. Die ist aber ein hohes Gut, deswegen ist es so dringend geboten, die Zentralbanken wieder zu entpolitisieren.

Draghi und Yellen haben nun in der Vergangenheit zwar keinen Zweifel gelassen, dass sie die Unabhängigkeit der Geldpolitik verteidigen. Zugleich war es aber vor allem Draghi, der mit der EZB mitunter willfährig immer wieder in die Bresche gesprungen ist, wenn die Euro-Politik nicht handeln konnte – oder wollte. Ihm dürfte nun als italienischer Premier vor allem daran gelegen sein, das Wohlwollen der EZB in Form von negativen Zinssätzen und Anleihekäufen zu bewahren. Und es war Yellen, die die Fed einst im Sinne einer „sozialeren“ Geldpolitik sogar in den Dienst des Kampfes gegen die Langzeitarbeitslosigkeit stellen wollte. Sie dürfte angesichts der gigantischen Ausgabenpläne ihrer Administration ein veritables Interesse an dauerhaft niedrigen Fed-Zinsen haben. Wenngleich öffentliche Attacken auf die Unabhängigkeit von EZB und Fed mit Draghi und Yellen kaum zu erwarten sind, droht sich doch die aktuelle gegenseitige Abhängigkeit von Geld- und Fiskalpolitik zu verfestigen.

Keine Frage: In der Coronakrise haben Staaten und Notenbanken ein gleichgerichtetes In­teresse, und es ist richtig, dass beide sich nach Kräften gegenseitig unterstützen. Das wird aber nicht auf ewig so sein. Zielkonflikte sind spätestens dann programmiert, wenn die Inflation wieder stärker anzieht. Deswegen wäre es tö­richt, die Grenzen in Gänze aufzugeben. Am Ende droht die komplette fiskalische Dominanz mit verheerenden makroökonomischen Folgen. Die Geldpolitik kann in der Not helfen, sie darf aber nicht zum dauerhaften Diener der Politik mutieren.