EU-Taxonomie

Höflicher Applaus aus der Kraftwerkslobby

Die Pläne der EU-Kommission werden in der Wirtschaft als „pragmatischer Kompromiss“ angesehen. Allerdings mangelt es nach Ansicht der Energieversorger nach wie vor an Planungssicherheit.

Höflicher Applaus aus der Kraftwerkslobby

cru Frankfurt

Atomkraft und Gas liefern ein Viertel des Stroms in Deutschland und gelten fortan in der EU als zumindest vorübergehend gut fürs Klima. Weil sie als CO2-armes Backup zum Ausgleich der schwankenden Stromerzeugung aus Sonne und Wind dienen – und weil Gaskraftwerke künftig mit Wasserstoff betrieben werden. In der Kraftwerkslobby löst das höflichen, aber verhaltenen Applaus aus. Große deutsche Kraftwerksbetreiber wie RWE, EnBW und Uniper stufen die Entscheidung der EU-Kommission zur Taxonomie als „pragmatischen Kompromiss“ ein. Das Regelwerk stellt demnach grundsätzlich die Weichen für Gaskraftwerke als Übergangstechnik der Energiewende und ermöglicht Investitionen. Laut EnBW eröffnet der Vorschlag auch Spielräume für den Bau neuer Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die Fernwärme erzeugen.

Zufriedengestellt sind die Interessenvertreter damit nicht, weil noch offen ist, ob und was Gewinn abwirft: „Wir erkennen, dass die sehr eng gefassten Kriterien der EU-Taxonomie notwendige Investitionen in zusätzliche Gaskraftwerke erschweren“, erklärt Uniper-Sprecher Thomas Oppermann. Es brauche Anreize, so fordert der Rivale RWE, damit „neue Gaskraftwerke sich auch bei einer perspektivisch zu erwartenden sinkenden Anzahl an jährlichen Betriebsstunden rechnen. Zudem werde Klarheit benötigt, was die spätere Umstellung auf Wasserstoff betrifft. EnBW konstatiert, dass sich durch den Vorschlag, dem die EU-Staaten und das Parlament noch zustimmen müssen, dennoch ein Großteil der für die Energiewende benötigten Investitionen „zumindest in den nächsten Jahren nicht“ als nachhaltige Investition qualifizieren könne. Man sei bei der Ausarbeitung der Rechtsakte auf „technologisch umsetzbare Ansätze“ angewiesen. Sonst misslinge die Energiewende.

„Die Kriterien für Gaskraftwerke bleiben streng“, urteilt Timm Kehler, Chef des Lobbyverbands „Zukunft Gas“. So sähen die Regeln eine zwingende Nutzung von Wasserstoff oder anderen CO2-armen Gasen vor. „Die Erfüllbarkeit ist aber realistischer geworden.“ Deutschland brauche für Versorgungssicherheit und Klimaziele 20 bis 30 Gigawatt an neuen Gaskraftwerken bis zum Jahr 2030 – „weil wir aus Kohle und Atom aussteigen“. Zum Vergleich: Die gesamte Netto-Nennleistung in Deutschland beträgt 221 Gigawatt.

In neue Gaskraftwerke müssten bis 2030 rund 30 Mrd. Euro investiert werden. Nun müsse die Bundesregierung einen Investitionsrahmen für Gaskraftwerke schaffen und das Angebot von Wasserstoff entwickeln. Der nächste Schritt sei ein „Kapazitätsmechanismus“, der – wie im Koalitionsvertrag festgehalten – den Bau von Gaskraftwerken anreizt. Dadurch sollen Erzeuger Geld für bereitgestellte Leistung erhalten – unabhängig davon, ob Strom ins Netz eingespeist wird.

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