Euro-Geldpolitik

Hohe Inflation sorgt für Differenzen im EZB-Rat

In der EZB zeichnen sich zunehmende Differenzen ab bei der Einschätzung der Inflationsaussichten im Euroraum und der angemessenen Reaktion der Geldpolitik. Die Euro-Notenbanker stehen vor heiklen Wochen.

Hohe Inflation sorgt für Differenzen im EZB-Rat

ms Frankfurt

In der Europäischen Zentralbank (EZB) zeichnen sich zunehmende Differenzen ab bei der Einschätzung der Inflationsaussichten im Euroraum und der angemessenen Reaktion der Geldpolitik. Auf der einen Seite stehen jene Notenbanker, die sich verstärkt Sorgen über die anhaltend hohe Inflation machen und notfalls Handlungsbereitschaft signalisieren. Auf der anderen Seite stehen jene Euro-Hüter, die den Inflationsschub weiter vor allem als temporär ansehen und deswegen keine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik erwägen.

Am Freitag zeigten sich diese Unterschiede beispielhaft in Wortmeldungen zweier führender EZB-Direktoriumsmitglieder. So warnte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos, dass die Inflation 2022 nicht so stark sinken könnte wie bislang erwartet. Ähnlich hatte sich zuvor bereits der slowenische Notenbankchef Bostjan Vasle geäußert, und der irische Zentralbankchef Gabriel Makhlouf hatte gesagt, er wäre notfalls bereit, eher früher zu handeln. Dagegen untermauerte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel das EZB-Narrativ eines vorübergehenden Inflationsanstiegs und wandte sich gegen Spekulationen auf baldige Zinserhöhungen. Ähnlich sehen es vor allem auch EZB-Chefin Christine Lagarde und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane.

Wegweisende Wochen

Die zunehmende Spaltung kommt zu einer Zeit, da der EZB-Rat vor wichtigen Weichenstellungen steht. Bei der Sitzung im Dezember dürfe der Rat nach aktuellem Stand be­schließen, das 1,85 Bill. Euro umfassende Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP im März 2022 zu be­enden. Die große Frage ist aber, wie es dann weitergeht. Die allgemeine Erwartung ist derzeit, dass das parallele Anleihekaufprogramm APP zumindest vorübergehend aufgestockt wird, um „Klippeneffekte“ zu vermeiden. Viele Notenbanker dringen zudem darauf, die große Flexibilität von PEPP zu erhalten. Andere Euro-Hüter befürworten dagegen entschlossenere Schritte Richtung Ausstieg und verweisen auf die Erholung und den Anstieg der Inflation.

Seit Jahresbeginn hat die Inflation im Euroraum unerwartet stark angezogen. Im Oktober kletterte sie sogar auf 4,1% – so hoch wie überhaupt erst einmal seit der Euro-Einführung im Jahr 1999. Das hat zwar viele Gründe, die als vorübergehend gelten. Dazu gehören Basiseffekte infolge der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in Deutschland, der rasante Anstieg der Energiepreise und die weltweit anhaltenden Materialengpässe. Inzwischen wachsen aber die Zweifel, ob es wirklich nur ein temporärer Inflationsschub ist.

Zusätzliche Brisanz bekommt die Diskussion dadurch, dass andere Zentralbanken einen anderen Kurs fahren – wie sich gerade diese Woche gezeigt hat. So gab etwa die US-Notenbank Fed den Startschuss für das Herunterfahren ihrer billionenschweren Anleihekäufe („Tapering“). Und die Bank of England signalisierte eine baldige Zinsanhebung, womöglich noch im Dezember. Der sehr vorsichtige Kurs der Euro-Hüter bildet da ein Kontrastprogramm.

Zwar könnte die Euro-Inflation auch 2022 im Schnitt oberhalb des EZB-Ziels von 2% verharren. Unklar ist zudem, ob sie 2023 da­runterliegt. Der Blick vieler Euro-Hüter richtet sich aber bereits auf das Jahr 2024. Derzeit scheinen da viele überzeugt, dass die Teuerung dann merklich unterhalb der 2% liegen wird.

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