Ifo hält 1,2 Millionen mehr Vollzeitstellen für möglich
1,2 Millionen Vollzeitstellen wären machbar
Ifo-Plädoyer für Reformen im Steuer- und Sozialsystem
ba Frankfurt
Reformen im Steuer- und Sozialsystem könnten laut einer Ifo-Studie in Deutschland 1,2 Millionen mehr Vollzeitstellen bringen. Allein der jüngst beschlossene Wegfall der Steuerklassen 3 und 5 unter Beibehaltung des Ehegattensplittings könnte für einen Beschäftigungsgewinn von 67.000 Vollzeitkräften sorgen. Höhere Rentenabschläge, eine längere Lebensarbeitszeit und mehr Kinderbetreuungsplätze sind laut Ifo weitere lohnenswerte Möglichkeiten. „Das Steuer- und Abgabensystem in Deutschland kann definitiv so umgebaut werden, dass der Arbeitskräftemangel gemildert wird“, erklärt Studienautor Volker Meier.
„0,5 Prozent Rentenabschlag wären gerechtfertigt“
Das größte Beschäftigungsplus mit 473.000 Vollzeitkräften errechnet das Ifo beim Übergang des gesetzlichen Renteneintrittsalters von 67 auf 69 Jahre. Die Abschaffung der Rente mit 63 würde ein Plus von 157.000 Vollzeitkräften bedeuten. Höhere Rentenabschläge bei Frührentnern brächten umgerechnet 180.000 Vollzeitkräfte mehr. Versicherungsmathematisch seien 0,5% Rentenabschlag gerechtfertigt für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbeginns, heißt es zudem in der Studie. Derzeit werden nur 0,3% Rente abgezogen. „Diese große Wirkung“, so heißt es beim Ifo, „lässt sich realistischerweise aber nur in einer Reihe von Schritten und mit langem Vorlauf der Gesetzgebung erreichen, was ein baldiges Angehen entsprechender Beratungen im Parlament sinnvoll erscheinen lässt.“
Für mehr Kinderbetreuung
Bei einem Übergang vom Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting könnte sich laut Ifo ein Beschäftigungsplus von etwa 200.000 Vollzeitstellen ergeben, ein Ende der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weitere 150.000 Vollzeitkräfte in die Beschäftigung bringen. 400.000 zusätzliche Plätze in der Kinderbetreuung könnten ein Beschäftigungsplus von 58.000 Vollzeitstellen nach sich ziehen. Würden diese Betreuungsplätze vor allem in Mangelregionen − also insbesondere in den westdeutschen Großstädten − geschaffen, könnte dieser Effekt sogar noch höher ausfallen. Jeweils gut ein Sechstel der genannten Beschäftigungsgewinne würde auf Bayern entfallen, stellt das Ifo zudem fest. Die Berechnungen hatte die IHK München und Oberbayern in Auftrag gegeben.
In der Studie sind die Beschäftigungseffekte zwar zur besseren Vergleichbarkeit auf Vollzeitkräfte umgerechnet, doch sind darin auch Stunden-Aufstockungen oder überhaupt die Aufnahme von Teilzeitbeschäftigungen berücksichtigt. Zwei Aspekte, die vor allem in Verbindung mit den brachliegenden Erwerbspotentialen bei Frauen und älteren Personen genannt werden.
„Jede Stunde zählt“
„Angesichts des Alterungsschubs und des Arbeitskräftemangels muss unser Steuer- und Sozialsystem konsequent Erwerbstätigkeit belohnen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Dabei komme es auf jeden Beschäftigungsanreiz an: Ob Einstieg in die Erwerbstätigkeit, einige Wochenstunden mehr in der Teilzeitarbeit oder längeres, weil attraktiveres Arbeiten zur Rente hin – jede Wochenarbeitsstunde mehr zähle. Entsprechende Reformen wären zudem ein wichtiger Beitrag für mehr Fairness unter allen Steuer- und Abgabenzahlern sowie zwischen den Generationen. „Generell bleibt aber auch der Befund, dass die Steuer- und Abgabenlast für Erwerbstätige in Deutschland zu hoch ist“, betont Gößl.