Im Interview:Michael Krake, Weltbank

Wird bei Entwicklungshilfe „America Last“ die neue Norm?

Deutschland muss im Kampf gegen dem Klimawandel und bei der Unterstützung der ärmsten Länder neue Allianzen schmieden, glaubt Michael Krake, der deutsche Exekutivdirektor bei der Weltbank.

Wird bei Entwicklungshilfe „America Last“ die neue Norm?

IM INTERVIEW: Michael Krake

Bei Entwicklungshilfe „America Last“ die neue Norm?

Kritik am Ausstieg der Banken aus der Net-Zero-Allianz – Wohlstandsgefälle zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern wächst weiter

Deutschland muss im Kampf gegen den Klimawandel und bei der Unterstützung der ärmsten Länder neue Allianzen schmieden. Auch handeln die USA gegen die eigenen Interessen, wenn sie nun den Entwicklungsländern den Rücken kehren sollten, glaubt Michael Krake, deutscher Exekutivdirektor bei der Weltbank.

Das Interview führte Peter De Thier.

Herr Krake, Elon Musk und seine Behörde DOGE, die 2 Bill. Dollar an staatlichen Sparmaßnahmen durchsetzen will, hat die humanitäre Regierungsorganisation USAID aufgelöst. Trifft das auch die Weltbank?

Die Überschneidungen zwischen USAID und der Weltbank sind relativ gering. Die Weltbank hat allerdings treuhänderische Fonds, in die Geberländer einzahlen, um konkrete, meist thematische Investitionen, zum Beispiel mit Sektoranalysen, voranzubringen. Dabei kann es sich beispielsweise um Maßnahmen zur Flankierung besserer Wasser- und Sanitärversorgung, zur Pandemieprävention oder zur ökonomischen Förderung von Frauen handeln. Auch sind einige länderspezifische Fonds stark betroffen. Da wird nun der amerikanische Beitrag fehlen. Das Kerngeschäft der Weltbank besteht aber in der Vergabe von Krediten an Entwicklungsländer. Die Auflösung von USAID hat dafür keine direkten Folgen.

Und die Folgen für die Mitgliedsländer?

Die Auswirkungen in den einzelnen Ländern, in denen wir aktiv sind, sind enorm. Wenn man sich etwa Staaten ansieht wie Somalia oder Sudan – mehr bei humanitärer Hilfe als klassischer Entwicklungszusammenarbeit –, waren die USA bisher die Nummer 1 unter den bilateralen Gebern. Wenn die USA wegfallen, dann ist sehr häufig Deutschland die Nummer 1, das ist auch jetzt wieder so. Das bedeutet, dass dann die anderen Geber zuerst auf uns schauen.

Ist das wirtschaftlich zu verkraften?

Wir werden die finanzielle Lücke, die die USA hinterlassen, sicher nicht schließen können. Deutschland und Europa können aber das Teamwork der verbliebenen Akteure verbessern.

Der Kongress wird die 4 Mrd. Dollar wohl blockieren, die Ex-Präsident Joe Biden für die International Development Agency (IDA) zugesagt hat. Welche Folgen hat das?

In Seoul haben sich insgesamt 59 Geberländer verpflichtet, 23,7 Mrd. Dollar zum neuen Budget von IDA, der für die ärmsten Länder zuständigen Weltbank-Tochter, beizutragen. Das Kapital entfaltet eine Hebelwirkung und führt dazu, dass die Weltbank zusätzliche Kredite von bis zu 100 Mrd. Dollar vergeben kann. Ich will nicht darüber spekulieren, was die USA unter einem republikanischen Kongress machen werden. Prinzipiell überprüft die US-Regierung alle ihre Entwicklungshilfeausgaben.

Aber ein Teil der „America First“-Doktrin besteht doch darin, dass Trump kein Geld mehr für andere Länder ausgeben will?

Das ist richtig. Als Trump das erste Mal im Amt war, hatten wir schon mal die Situation, dass zugesagte Mittel um 15% gekürzt wurden. Damals konnten andere Länder diesen Verlust auffangen. Sollte die IDA-Zusage von Biden nicht umgesetzt werden, hätten wir womöglich am Ende für die ärmsten Entwicklungsländer weniger Geld. Das ist die harte Realität. Allerdings dürfte es auch nicht im Interesse der USA sein, wenn der Slogan „America First“ dazu führt, dass dann bei der globalen Entwicklungszusammenarbeit und darüber hinaus „America Last“ die neue Norm wird.

Wird das Trump denn interessieren?

Wenn die USA ausfallen bei der Bewältigung globaler Herausforderungen, schadet es ihnen selbst, denn die Auswirkungen von Klimawandel, Pandemien und Konflikten spürt man auch in den USA.

Führende US-Kreditinstitute haben die Net-Zero Banking Alliance der UN verlassen und somit dem Kampf gegen den Klimawandel den Rücken gekehrt. Welche Folgen wird das haben?

Dieser Trend ist nicht völlig neu. Er war schon 2024 zu erkennen, aber dann eben in verstärktem Maße nach Trumps Wahlsieg. Wenn führende Institute wie Citibank, Bank of America, J.P. Morgan und Wells Fargo sich aus globalen gesellschaftlichen Herausforderungen zurückziehen, dann drängt sich die zentrale Frage auf: Planen sie denn, als individuelle Bank an den Dekarbonisierungszielen, die sie selbst verkündet haben, festzuhalten? Ich habe da meine Zweifel, wenn die Finanzinstitutionen nicht mehr bereit sind, sich zusammen mit anderen für diese Ziele zu engagieren.

Ist diese Entscheidung der Großbanken, ihre Investitionen und ihre Kreditvergabe nicht mehr an dem Ziel von Netto-null-CO2-Emissionen auszurichten, die richtige?

Ich halte den Ausstieg aus gemeinsamen Unternehmensinitiativen, die für mehr Transparenz bei der Zielumsetzung sorgen, für kurzsichtig. Unternehmen brauchen Jahre, um ihre Reputationen aufzubauen und das Vertrauen von Kunden und Gesellschaft zu gewinnen. Das kann alles schnell wieder verschwinden, wenn der Eindruck entsteht, sie seien gesellschaftlichen Zielen in keinster Weise mehr verpflichtet. Ich kann nur hoffen, dass sich Europa davon nicht anstecken lässt.

Aber das übergeordnete Ziel der Banken ist doch Gewinnmaximierung?

Natürlich. Auch bei allen freiwilligen Initiativen – wie hier dem Kampf gegen den Klimawandel – wird Kapital trotzdem dort hinfließen, wo es profitabel ist. Entscheidend bleibt daher für die Energietransformation, dass Politik einen verlässlichen Rahmen setzt, zum Beispiel über den CO2-Preis. Die US-Banken, die aus der Net-Zero-Allianz ausgestiegen sind, dürfen nicht übersehen, dass Investitionen in erneuerbare Energien durchaus gewinnbringend sein können.

Sie haben an einer Studie für den künftigen Umgang Deutschlands mit den Entwicklungsländern mitgewirkt. Welches sind die zentralen Empfehlungen?

Ja, wir haben unter Vorsitz von Annegret Kramp-Karrenbauer als Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft die Empfehlungen erarbeitet zur Neuausrichtung von Deutschlands Beziehungen gegenüber Ländern des globalen Südens. Die Kommission wurde von der Global Perspective Initiative ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt steht die Erkenntnis, dass Deutschland mehr Verantwortung wahrnehmen und sich stärker international engagieren muss. Auch im Eigeninteresse, denn Deutschlands Wohlstand hängt von internationaler Verflechtung ab.

Und was wird aus langjährigen Bündnissen?

Statt nationaler Rückbesinnung ist gerade jetzt die Wahrung unserer Interessen durch starke Allianzen gefragt. Wir leben in einer multipolaren Welt und müssen uns dieser neuen Realität stellen. Es ist nicht zukunftsweisend, sich nur auf Bündnisse zu verlassen, die über Jahrzehnte Bestand hatten, jetzt aber überholt sind. 

Ist das eine Anspielung auf den Unilateralismus der Marke Trump?

Den größten Teil des Berichts haben wir erarbeitet, ohne zu wissen, wie die US-Wahlen ausgehen. Das hätte also auch Gültigkeit, wenn Kamala Harris Präsidentin geworden wäre und es Kontinuität gegeben hätte. Es handelt sich auch um keine Abkehr von multilateralen Institutionen, im Gegenteil. Wir sagen vielmehr, dass diese gestärkt werden sollen und auch Deutschland weiter in diese Institutionen investieren soll. Wir erkennen aber auch, dass diese Institutionen unter Stress stehen und es deshalb gilt, auch andere Allianzen zu schließen.

Warum wird das Wohlstandsgefälle zwischen den ärmeren Ländern und den Industriestaaten immer größer?

Seit der Jahrtausendwende hatten die Schwellen- und Entwicklungsländer noch nie so schlechte langfristige Wachstumsaussichten. Für sie hat sich seit 2020 der perfekte Sturm zusammengebraut: die Coronakrise, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die volatile Weltwirtschaft mit hohen Preisen und hohen Zinsen, die steigenden Kosten des Klimawandels. Diese Faktoren haben allesamt die ärmeren Staaten härter getroffen als die Industriestaaten. 

Und was nun?

Immerhin rechnen wir damit, dass das Wachstum in diesen Staaten in den kommenden Jahren stabil bleiben wird. An Strukturreformen in Entwicklungsländern wird kein Weg vorbeiführen, für die ärmsten Länder müssen aber auch Wege aus der Schuldenfalle gefunden werden, z.B., indem auch Gläubiger aus dem Privatsektor stärker bei Schuldenrestrukturierungen herangezogen werden. Und China sowieso.

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