Industrie enttäuscht im Mai auf ganzer Linie
Industrie enttäuscht auf ganzer Linie
Produktion fällt unerwartet und kräftig − Rückgang in Schlüsselbranchen − Bau gibt auch weiter nach − Konjunktursorgen steigen
ba Frankfurt
Der Mai ist für die deutsche Industrie kein Wonnemonat: Die Produktion ist entgegen den Erwartungen gesunken und dies kräftig, nachdem schon der Auftragseingang enttäuscht hatte. Vor allem die Schlüsselindustrien haben den Ausstoß kräftig eingeschränkt, und die erneut etwas höhere Fertigung der energieintensiven Industrien ist vor dem Hintergrund der drastischen Einbrüche während der Energiekrise nur ein schwacher Hoffnungsschimmer. Insgesamt mehren sich somit die Sorgen, dass sich die Wirtschaft im zweiten Quartal nur mäßig entwickeln und auch der weitere Jahresverlauf holpriger als bislang erhofft verlaufen wird.
April lief doch etwas besser
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben Industrie, Bau und Energieerzeuger im Mai preis-, saison- und kalenderbereinigt 2,5% weniger als im Vormonat produziert. Ökonomen hatten ein schmales Plus von 0,1% erwartet. Nachdem die Statistiker den Aprilwert von −0,1% auf +0,1% hochrevidiert haben, ergibt sich für den weniger schwankungsanfälligen Dreimonatsvergleich der Monate von März bis Mai ein unverändertes Fertigungsniveau (0,0%) gegenüber den drei Monaten zuvor. Für den Jahresvergleich weist Destatis einen Rückgang von kalenderbereinigt 6,7% aus.
Kleine Hoffnungsschimmer gibt es
Ökonomen zeigten sich durch die Bank enttäuscht von den Daten, finden aber durchaus noch Versöhnliches. So könnten etwa die vielen Brückentage das Mai-Ergebnis negativ beeinflusst haben, schätzt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Deren Effekt werde unter Umständen von der Saisonbereinigung nicht vollständig erfasst. „Darum ist es gut möglich, dass für den Juni wieder ein recht kräftiges Plus vermeldet werden wird.“ Allerdings dürfte dies nichts daran ändern, dass die Produktion im zweiten Quartal gefallen ist: „Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft nach dem leichten Plus zu Beginn des Jahres im Frühjahr wieder auf der Stelle getreten hat.“ Die nächste Runde der Prognoseanpassungen dürfte wieder abwärts gehen, erwartet LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. „Deutschland erlebt das zweite Jahr Stagnation in Folge.“
Energieintensive kommen voran
Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, sieht einen kleinen Hoffnungsschimmer, da die energieintensive Produktion wieder etwas in Fahrt kommt − auch wenn die Messe für die Industrieproduktion eigentlich bereits gelesen sei, „der schwache Auftragseingang der vergangenen zwei Jahre verhindert eine deutlich anziehende Industrieproduktion“. Im Mai sammelte die Industrie wegen der geringen Auslandsnachfrage 1,6% weniger Neubestellungen als im Vormonat − das war das fünfte Minus in Folge. Nachdem die Produktion energieintensiver Industriezweige seit Anfang 2022 fast durchgehend gefallen ist, hat sie seit Ende vergangenen Jahres zumindest wieder einen kleinen Teil ihrer Produktionseinbußen wettgemacht, wie Gitzel analysiert.
Allein von Februar 2022 bis Juli 2023 summierte sich der Rückgang auf 16,7%. Im Mai nun ist die Fertigung in den energieintensiven Industriezweigen wie etwa Chemie oder Metallerzeugung um 0,2% zum Vormonat gestiegen, im Dreimonatsvergleich um 3,5% und im Vergleich zum Mai 2023 um 2,5%. „Dies spricht dafür, dass eines der Argumente für eine bevorstehende Erholung der deutschen Wirtschaft – das Nachlassen der Belastung durch die Energiepreise – durchaus greift“, sekundiert Commerzbank-Ökonom Solveen.
Schlüsselindustrien enttäuschen
Als große Enttäuschung gilt den Bankvolkswirten hingegen der Produktionsrückgang in den Schlüsselindustrien Maschinenbau (−5,9%) und Automobilindustrie (−5,2%).
Bau gibt weiter nach
Die Industrie im engeren Sinne drosselte im Mai den Output um 2,9% im Monatsvergleich. Außerhalb der Industrie hat nur die volatile Energieerzeugung zugelegt, und zwar um 2,6%. Die Bauproduktion gab um 3,3% nach. Da sie allerdings zuvor kräftig gestiegen war, verbleibt laut Wirtschaftsministerium im Dreimonatsvergleich noch ein leichter Zuwachs um 0,1%.
Zu Jahresbeginn hatte der Bau noch von der unüblich milden Witterung profitiert und neben den Exporten für das Wirtschaftswachstum von 0,2% gesorgt. Ökonomen hatten daher bereits vor einem Rückprall gewarnt, seit März sinkt die Bauproduktion.
Minus in Frankreich und Spanien
Produktionsrückschläge gab es im Mai aber auch in Frankreich und Spanien. Dadurch wird auch wahrscheinlicher, dass der Output der Euro-Industrie ebenfalls gedrosselt worden ist. Dem spanischen Statistikamt INE zufolge sank die Gesamtfertigung um 0,1% zum Vormonat. Laut dpa-afx hatten Analysten im Schnitt mit einer Stagnation gerechnet. Im Jahresvergleich fiel die Herstellung um 0,4% zurück. Für die französische Industrie wiederum meldete das Statistikamt Insee ein Monatsminus von 2,1%. Die Erwartung lag hier bei −1,1%. Das Vorjahresniveau wurde um 3,1% unterschritten. Am 15. Juli berichtet Eurostat über die Produktionsentwicklung im Euroraum.