Klima und Energie

Industrie fordert Investitions­turbo für das Klima

BDI-Präsident Siegfried Russwurm ruft die Bundesregierung auf, Tempo auf dem Weg zur Klimaneutralität zu machen und den Investitionsturbo einzulegen. Die Opposition warnt vor „grüner Planwirtschaft“.

Industrie fordert Investitions­turbo für das Klima

wf/sp Berlin

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat die neue Bundesregierung aufgerufen, ihr Fortschrittversprechen zügig unter Beweis zu stellen. Es sei jetzt an der Zeit zu zeigen, wie viel Aufbruch tatsächlich in der Ampel stecke, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm zum Jahresauftakt vor der Presse. Ein Schwerpunkt sei – zusammen mit der Bewältigung der Pandemie – die Klimapolitik. Die Zeit dafür dränge. „Der politische Handlungsdruck zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 bei gleichzeitigem Erhalt einer global wettbewerbsfähigen Industrie ist gewaltig“, sagte Russwurm. Deutschland müsse in den kommenden acht Jahren bis 2030 einen „Investitionsturbo“ einlegen und in allen Wirtschaftssektoren 860 Mrd. Euro allein für den Klimaschutz investieren.

Ähnlich äußerte sich Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck am Donnerstag im Bundestag. „Wir als Land müssen sofort loslegen“, sagte Habeck mit Blick auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie und des Klimawandels. Die Opposition übte Kritik an den Plänen des Ministers, der bereits am Dienstag eine ernüchternde Eröffnungsbilanz zum Stand der Klimapolitik und ein Sofortpaket für die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien vorgelegt hatte. „Sie wollen den Turbo für den Klimaschutz einlegen – und was ist mit dem Turbo für die Wirtschaft?“, fragte die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner. Die Firmen kämpften mit steigenden Energiekosten und müssten Belastungen durch die Pandemie tragen. „Grüne Planwirtschaft wird nicht funktionieren“, sagte Klöckner.

Die schonungslose Analyse von Habeck zum Stand der Klimapolitik decke sich mit den Berechnungen der Industrie, betonte Russwurm. Der größte Teil der benötigten Investitionen für den Klimaschutz werde mit vier Fünfteln aus dem privaten Sektor kommen. Dafür müsse die Bundesregierung die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Denn der Standort Deutschland verliere zunehmend an Attraktivität für Unternehmen aus dem In- und Ausland, konstatierte der Präsident. Auf der Mängelliste der Industrielobby ganz oben stehen hohe Energiekosten, ein schleppender digitaler Wandel, mangelnde Infrastrukturinvestitionen, lähmende Regulierung und hohe Steuern.

Der BDI begrüßte die Ankündigung Habecks, Klimadifferenzverträge als ein zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie einzusetzen. Mit diesen Carbon Contracts for Difference hilft der Staat Unternehmen, die Kostenlücke für klimaneutrale Investitionen und Produkte zu schließen, solange der CO2-Preis dafür nicht ausreicht. Russwurm forderte mehr staatliches Engagement, auch wenn der Staat die Ausgaben nicht allein stemmen könne. „Die Regierung muss dafür sorgen, dass sich die Investitionen der Unternehmen und der Bürgerinnen und Bürger in Klimaschutz wieder lohnen – mit Superabschreibungen, einem massiven und schnellen Infrastrukturausbau und schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren“, sagte er und forderte Tempo ein. „Bei der Umsetzung der Energiewende müssen wir ab sofort in Monaten statt in Jahren denken.“

Deutschland bei G7 gefordert

Russwurm rief zugleich zu einer engen internationalen Zusammenarbeit auf. Die Bundesregierung solle ihre G7-Präsidentschaft in diesem Jahr nutzen, um sich für mehr internationale Kooperation im Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen – etwa durch die Gründung eines Klimaclubs. Diese Idee verfolgt auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der das Thema am Mittwoch im Parlament als eine der Aufgaben für die G7 aufgezählt hatte. Absprachen unter den Ländern etwa über die CO2-Bepreisung sollen den Weg zur Klimaneutralität ebnen, ohne im globalen Wettbewerb zurückzufallen.

Deutschland bleibe ein Importland für Energie, selbst wenn die Energieträger langfristig CO2-neutral sein werden, sagte Russwurm. Strategische Souveränität und Nicht-Erpressbarkeit blieben auch in diesem Punkt eine Kernaufgabe deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik. „Mittelfristig ist die beste Strategie, uns unabhängig zu machen von den fossilen Energien“, betonte Habeck im Bundestag.

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