Deutsche Industrie sendet Lebenszeichen
Deutsche Industrie sendet Lebenszeichen
Kräftigere Automobilproduktion schiebt Fertigung an − Energieintensive Branchen kommen voran
Die deutsche Industrie hat im August die Produktion unerwartet kräftig erhöht. Allerdings nur dank eines Sondereffekts − die Lage der Werksferien hat für einen kräftigen Schub bei der ohnehin sehr schwankenden Automobilproduktion gesorgt. Der Abwärtstrend bleibt daher ungebrochen.
ba Frankfurt
Die deutsche Industrie hat im August wegen eines Sondereffekts die Produktion unerwartet kräftig ausgeweitet. Am generellen Abwärtstrend und allenfalls einer Stagnation der hiesigen Wirtschaft im dritten Quartal ändert sich daher nichts, zumal die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern mau und die Auftragsentwicklung anhaltend schwach ist.
Juli lief noch schlechter
Laut des Statistischen Bundesamts (Destatis) haben Industrie, Bau und Energieerzeuger die Gesamtfertigung im August preis-, saison- und kalenderbereinigt um 2,9% ausgeweitet. Ökonomen hatten einen Anstieg von lediglich 0,8% erwartet. Allerdings ist der Juli noch schwächer ausgefallen als zunächst gemeldet: Die Unternehmen drosselten die Produktion um 2,9%, zunächst hatten die Statistiker ein Minus von 2,4% gemessen. Ökonomen warnten vor zu großer Euphorie, denn im weniger schwankungsanfälligen Dreimonatsvergleich war die Fertigung von Juni bis August um 1,3% geringer als in den drei Monaten zuvor und im Jahresvergleich ergibt sich für August ein Rückgang von 2,7%.
Sowohl Statistiker als auch Ökonomen verweisen zudem auf die derzeit kräftigen monatlichen Schwankungen der Automobilproduktion, die auf das Gesamtergebnis durchschlagen. Im August war es die Lage der Werksferien, die zu dem Plus von 19,3% zum Vormonat geführt hat. Im Juli hatte Destatis noch einen Rückgang um 8,2% gemeldet. Angesichts der Zahlen des Automobilverbandes VDA wird es im September mit der Autoproduktion wenig überraschend wieder abwärts gehen, sagt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen.
Auch die Hersteller von Investitionsgütern haben mit dem um 6,9% höheren Output dafür gesorgt, dass die Industrie im engeren Sinne die Fertigung im August um 3,4% zum Vormonat ausgeweitet hat. Außerhalb der Industrie legte die Energieerzeugung um 2,3% zu. Die kriselnde Baubranche fertigte 0,3% mehr als im vorangegangenen Monat.
„Ausreißer nach oben“
„Im Wust der Zahlen fällt positiv auf, dass es zumindest mit den energieintensiven Branchen etwas aufwärts geht“, analysiert LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Sowohl im Vorjahres- als auch im Vormonatsvergleich war ein Plus zu verzeichnen, und zwar von 2,2% bzw. 0,1%. „Aber das dürfte kaum reichen, um den derzeitigen generellen Abwärtstrend der deutschen Industrie zu einem Aufschwung zu wenden.“ Der Augustwert sei „eigentlich nur ein Ausreißer nach oben“, im September dürfte es mit der Produktion insgesamt eher wieder abwärts gehen, erwartet Niklasch.
Dass die Gesamtfertigung in diesem Jahr lediglich dreimal rückläufig war, sei auch dem Anziehen der energieintensiven Produktion zu verdanken, betont Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Denn verglichen mit dem Jahr 2022 liegen die Gas- und Strompreise auf verhältnismäßig niedrigen Niveaus. „Doch die mauen Auftragseingänge sind für die Industrieproduktion mittelfristig eine schwere Bürde – und in weiterer Folge leider auch für die Beschäftigungssituation.“
Im August hat die Industrie nach zwei Anstiegen einen Auftragsrückgang von 5,8% verzeichnet. Dabei war die Nachfrage sowohl aus dem Inland als auch aus den Ländern des gemeinsamen Währungsraums äußerst schwach. Neben einer schwächeren Weltwirtschaft bremsen die Sorgen vor einer Abkühlung der US-Wirtschaft, die anhaltenden geopolitischen Spannungen und die innenpolitische Unsicherheit die konjunkturelle Entwicklung. Zudem steigt die Zahl der Insolvenzen, große Unternehmen planen Umstrukturierungen und die Wirtschaft hat auch mit strukturellen Problemen zu kämpfen.
Die Bundesrepublik wird daher vorerst das Wachstumsschlusslicht im Euroraum, aber auch unter den großen Industrienationen bleiben. Das Wirtschaftsministerium hat laut Reuters derweil bestätigt, dass die Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf −0,2% von zuvor +0,3% gesenkt wird. 2023 schrumpfte die Wirtschaftsleistung bereits um 0,3%. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird die Herbstprojektion am Mittwoch vorstellen.