Industrie zeigt erste Schwäche
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Lange Zeit schien es, als käme die deutsche Industrie so gut wie unberührt durch den zweiten Lockdown. Nun aber sind die Bestellungen im Dezember erstmals seit April im Monatsvergleich gesunken – und das sogar stärker als erwartet. Ökonomen sehen das aber noch nicht als allzu kritisch an. Einzig, dass die Auslandsnachfrage so stark nachgegeben hat, sorgt für einen nennenswerten Wermutstropfen. Die Industrie sollte also weiter als Wachstumsstütze fungieren können und die Schwächen der besonders unter den Schutzmaßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie leidenden Dienstleister ausgleichen können.
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) sammelte das verarbeitende Gewerbe im Dezember 1,9% weniger Neuaufträge ein als im Vormonat. Ökonomen hatten ein geringeres Minus von 1,0% erwartet. Allerdings wurde der Zuwachs im November auf +2,7% von +2,3% nach oben revidiert. Ohne die volatil ausfallenden Großaufträge gingen die Bestellungen zum Jahresende um 2,0% zurück. Trotz des Dämpfers zeigt der Vergleich mit Februar 2020, dem letzten Monat vor Beginn des ersten Lockdowns, dass die Orderzahl das Vorkrisenniveau weiterhin übersteigt – im Dezember um 2,6%. Im Gesamtjahr 2020 sank der Auftragseingang um 7,2% zum Vorjahr.
Aufwärtstrend intakt
Es spricht aber vieles dafür, dass der Aufwärtstrend intakt ist. Etwa, dass das Dezember-Minus zu einem größeren Teil auf einen deutlichen Rückgang der immer sehr volatilen Bestellungen aus dem Sektor „sonstiger Fahrzeugbau“ zurückzuführen ist, wie Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen betonte. Bleibe dieser Posten außen vor, liege das Bestellminus bei 0,7%. In einer Reihe anderer Bereiche, etwa bei pharmazeutischen Erzeugnissen und elektrischen Ausrüstungen, sind hingegen laut Bundeswirtschaftsministerium „beachtliche Zuwächse gemeldet“ worden. Zudem zeigen die jüngsten Stimmungsindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima und der Einkaufsmanagerindex, dass eher mit einer Ausweitung der Geschäftstätigkeit zu rechnen ist. Auch der Industrieumsatz verspricht weiteres Aufwärtspotenzial: Laut Destatis ist er saison-, kalender- und preisbereinigt im Monatsvergleich um 1,9% gestiegen nach 1,1% im November. Normalerweise besteht ein enger Zusammenhang zwischen Umsatz und Produktion. Ebenfalls ein enger Zusammenhang der Produktion besteht mit dem Lkw-Maut-Index – und dieser hat im Dezember 4,4% zum Vormonat und 6,4% zum Dezember 2019 zugelegt. Ökonomen erwarten ein Produktionsplus von 0,1%. Destatis veröffentlicht am Montag die Daten.
Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, wertet den Dezemberrückgang als „Auftakt zum nun beginnenden ,Alltagstrott‘“, bei dem sich positive und negative Vorzeichen wieder häufiger abwechseln werden. Bestellrückgänge drohen von zwei Seiten: Zum einen träten mit Abklingen der Coronakrise wieder verstärkt Strukturänderungen mit ihren negativen Folgen für das Auftragsaufkommen in den Vordergrund, etwa in der Automobilwirtschaft. Zum andere zeichne sich ab, dass die chinesische Sonderkonjunktur etwas abebbt.
Für die Bestellzuwächse von Mai bis November trug vor allem die gut laufende Wirtschaft im Reich der Mitte bei. Die Erholung, so mahnten die Commerzbank-Ökonomen Hao Zhou und Marco Wagner, gehe allerdings auf Kosten wieder höherer Schulden – des Staates, der Unternehmen und der privaten Haushalte.
Im Dezember sanken die Auslandsorders um 2,6%, wobei dem Minus aus Euro-Ländern von 7,5% ein Bestellplus aus dem restlichen Ausland von 0,5% gegenübersteht. Die Inlandsorders fielen um 0,9%.