Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen

Industrieflaute und niedriger Privatkonsum bremsen Wachstum

Sonst zuverlässige Wachstumstreiber − Exporte und Privatkonsum − fallen aus, die Industrieschwäche tut ihr Übriges: Die deutsche Konjunktur springt noch nicht an. Die Wirtschaftsweisen senken daher ihre Prognosen.

Industrieflaute und niedriger Privatkonsum bremsen Wachstum

Industrieflaute
und niedriger Privatkonsum bremsen

ba Frankfurt

Die deutsche Konjunktur springt so bald nicht an − vor allem die Schwäche der Industrie und der private Konsum, der trotz Reallohnsteigerungen unerwartet mau ausfällt, belasten das Wirtschaftswachstum. Der Sachverständigenrat Wirtschaft schraubt daher seine Prognosen nach unten. Eine leichte Erholung wird nun für den Jahresverlauf 2025 vorausgesagt. Deutliche Fortschritte sehen die sogenannten Wirtschaftsweisen hingegen bei den Verbraucherpreisen: Die Inflationsrate nähere sich mit 2,2% in diesem und 2,1% im kommenden Jahr dem EZB-Ziel weiter an.

Minus von 0,1%

Das BIP dürfte in diesem Jahr um 0,1% schrumpfen. Zuvor war noch ein Plus von 0,2% erwartet worden. Die Investitionen, insbesondere die Ausrüstungsinvestitionen, seien überschätzt worden, erklärten die Wirtschaftsweisen dazu. Zudem habe sich der private Konsum nicht so stark wie erwartet im Jahresverlauf erholt.

Überdurchschnittlich hohe Sparquote

Neben der hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheit und der Skepsis bezüglich der Konjunkturentwicklung habe zudem die im historischen Vergleich ohnehin schon höhere Sparneigung abermals zugelegt. Im zweiten Quartal war die Nettosparquote von 11,0% auf 11,3% gestiegen − der Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 lag bei 10,1%.

Kräftiger Staatskonsum

Nachdem die Reallöhne langsamer steigen werden, Jobsorgen zunehmen und sich die Beschäftigung ungünstiger entwickelt, dürften die privaten Konsumausgaben auch 2025 nur wenig steigen, erwarten die Wirtschaftsweisen. In den beiden Prognosejahren dürfte der Staatskonsum dagegen deutlich zulegen − unter anderem wegen Mehrausgaben im Gesundheits- und Pflegebereich sowie höheren Vorleistungen bei der militärischen Beschaffung. Die Erholung der Weltwirtschaft führe nicht im bisher üblichen Maße zu einer Steigerung der Exporte, daher dürfte der Außenhandel 2024 stützend und 2025 deutlich belastend wirken.

Gerade mal auf Vor-Coronaniveau

Für 2025 wird ein BIP-Plus von 0,4% erwartet. Damit dürfte die Wirtschaftsleistung voraussichtlich auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Corona-Krise liegen. „Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zeigt sich deutlich schwächer als in anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften“, erklärt der Wirtschaftsweise Martin Werding. Denn in den USA liege das BIP bereits heute um mehr als 12% über dem Vor-Coronaniveau, im Euro-Raum nur um gut 4%.

Auch strukturelle Ursachen

„Die Abkopplung des deutschen Industriesektors von der Weltwirtschaft deutet darauf hin, dass die deutsche Schwäche nicht nur konjunkturell bedingt ist, sondern auch strukturelle Ursachen hat“, betonen die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten 2024/2025. Die Industrieschwäche dürfte die Investitionsbereitschaft im verarbeitenden Gewerbe senken und auf die Unternehmensdienstleistungen ausstrahlen. Trotz der ersten Zinssenkungen der EZB sei die Geldpolitik bislang noch restriktiv und belaste zudem die Investitionstätigkeit. Außerdem erreiche die Schwächephase der Wirtschaft zunehmend den Arbeitsmarkt. Das Wachstum der Erwerbstätigkeit sei nahezu zum Erliegen gekommen. Die Arbeitslosigkeit dürfte weiter zunehmen, die Arbeitslosenquote auf 6,0% in diesem und 6,1% im kommenden Jahr steigen.

Zu den Abwärtsrisiken für die Prognose zählen die Wirtschaftsweisen eine sich verfestigende Industrieschwäche sowie eine nochmals erhöhte Unsicherheit, die die Erholung der Investitionen und des privaten Konsums weiter verzögern könnte. „Diese Effekte könnten verstärkt werden, wenn die Konjunktur noch ungünstiger verläuft als erwartet und zusätzliche Sparanstrengungen in den öffentlichen Haushalten erforderlich werden.“ Es könnte aber auch besser kommen als erwartet, „wenn sich die Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte auflöst und sich die Sparquote schneller als erwartet normalisiert“, wie es heißt.

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