Teuerung

Inflation in Euroland toppt EZB-Ziel

Die Inflation im Euroraum hat seit Jahresbeginn kräftig zugelegt. Die Euro-Hüter wollen dennoch nichts wissen von einer Abkehr von ihrer ultralockeren Geldpolitik. Die Kritik an dieser Position nimmt aber zu.

Inflation in Euroland toppt EZB-Ziel

ms Frankfurt

Die Inflation im Euroraum hat im Mai erneut deutlich angezogen und das wieder stärker als erwartet. Mit 2,0% übertraf die Teuerungsrate sogar das aktuelle EZB-Inflationsziel von „unter, aber nahe 2%“. In den nächsten Monaten wird die Rate wohl oberhalb dieser Marke verharren. Das dürfte die Debatte über ein stärkeres und dauerhafteres Comeback der Inflation und über die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) befeuern. Die EZB-Oberen sehen den Inflationsanstieg aber als temporär an und wollen bislang nichts von einem Kurswechsel wissen.

Kontroverse Debatten

Damit steigt auch die Spannung vor der nächsten Zinssitzung des EZB-Rats am 10. Juni. Die Notenbanker müssen dann entscheiden, wie es mit dem Kauftempo beim 1,85 Bill. Euro schweren Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP weitergeht. Im zweiten Quartal hat das Eurosystem das Tempo zeitweise hochgefahren. Die jüngsten Wortmeldungen lassen erwarten, dass es vorerst bei diesem Tempo bleibt. Einige Notenbanker hatten zwischenzeitlich aber auch mit einer Drosselung geliebäugelt, so dass es womöglich eine kontroverse Debatte geben wird.

Die Inflationsentwicklung im Euroraum und die mögliche Reaktion der EZB wird derzeit auch an den globalen Finanzmärkten verfolgt wie kaum ein anderes Thema. Das gilt umso mehr, weil sich in der US-Noten­bank Fed wegen der stark gestiegenen Inflation eine Debatte über eine Drosselung der beispiellosen Anleihekäufe („Tapering“) abzeichnet. Im April ist die US-Inflation auf 4,2% hochgeschnellt. Die EZB versucht solche Diskussionen und Spekulationen mit allen Mitteln zu unterbinden. Sie fürchtet eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft.

Die anziehende Inflation schürt aber auch im Euroraum solche Debatten. Mit 2,0% erreichte die Teuerung im Mai nun den höchsten Wert seit Oktober 2018. Im April hatte die Rate noch bei 1,6% gelegen und Ende 2020 sogar unter null, bei −0,3%. Verantwortlich für den rasanten Anstieg sind zwar primär Basis- und Sondereffekte wie der starke Anstieg der Energiepreise nach dem Einbruch vor einem Jahr, in der ersten Coronawelle. Im Mai lag das Plus hier bei 13,1%, nach 10,4% im April. Ähnliches gilt für die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung in Deutschland zu Jahresbeginn.

Inzwischen nehmen aber die Zweifel zu, ob es wirklich nur Einmaleffekte sind, die die Teuerung treiben. Kritiker verweisen auf die anhaltend ultraexpansive Geld- und Fiskalpolitik, auf die aufgestaute Konsumnachfrage, die sich nach dem Ende des Lockdowns Bahn brechen könnte, und auf die jüngste Knappheit bei vielen Vorleistungsgütern und Rohstoffen. Dienstleistungen im Euroraum verteuerten sich im Mai um 1,1% (April: 0,9%) und Industriegüter ohne Energie um 0,7% (0,4%). Die Kritiker warnen davor, ähnlich wie in den 1970er Jahren die Gefahr der Inflation zu unterschätzen.

Die Euro-Hüter weisen solche Sorgen aber zurück und untermauern immer wieder ihre Einschätzung, dass der Inflationsanstieg temporär sei. Das gilt auch für die Bundesbank, die eine zu expansive Geldpolitik kritisch sieht. Sie sagt zwar für Deutschland 2021 sogar noch Inflationsraten von 4% voraus. Für 2022 erwartet sie dann aber eine Normalisierung.

Als wesentliche Argumentationshilfe gilt den Euro-Hütern die Kerninflation, die die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert und als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck gilt. Im Mai legte diese jetzt zwar etwas zu von 0,7% auf 0,9%. Sie ist aber weit entfernt von 2%. Das gilt als Signal, dass die Teuerung schon 2022 wieder nachlässt

Mit großer Spannung werden jetzt auch die Inflationsprognosen der EZB-Volkswirte erwartet, die diese bei der nächsten Sitzung vorlegen. Im März hatten sie für 2021 im Durchschnitt 1,5% vorausgesagt und den Höhepunkt mit 2,0% im vierten Quartal. Für 2022 und 2023 hatten sie 1,2% und 1,4% prognostiziert. Nach den wiederholten Inflationsüberraschungen gilt das als überholt.