Inflationserwartungen der Verbraucher sinken deutlich
Inflationserwartungen sinken deutlich
Verbraucher im Euroraum rechnen mit einer Teuerung von 3,2 Prozent in zwölf Monaten
mpi Frankfurt
Die Einschätzungen der Verbraucher in der Eurozone zur Entwicklung der Teuerung normalisieren sich weiter: Statt wie bisher mit einem Zuwachs von 4,0% für die kommenden zwölf Monate rechnen sie nun im Median nur noch mit 3,2%. Dies geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) hervor, die im November durchgeführt wurde. Auch die mittelfristigen Inflationserwartungen auf Sicht von drei Jahren sinken im Median. Mit 2,2% – nach zuvor 2,5% – liegen sie jetzt nur noch leicht oberhalb des Inflationsziels der EZB von 2,0%.
Für die EZB sind die Zahlen ein Erfolg. Schließlich waren die Inflationserwartungen der Verbraucher in den vergangenen Monaten trotz nachlassender Teuerung im Euroraum nicht gesunken. Die Prognosen für die kurze Frist legten zuletzt sogar zu. Für eine Notenbank kann das zu einem Problem werden.
Selbsterfüllende Prophezeiung
Denn Inflationserwartungen können zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Ziehen Verbraucher in Erwartung stark steigender Preise größere Anschaffungen nach Möglichkeit von der Zukunft in die Gegenwart vor, steigt die Nachfrage nach Waren. Dies wiederum erhöht dann den Inflationsdruck. Gleichzeitig ist es für eine Notenbank wichtig, dass die Menschen darauf vertrauen, dass sie in der Lage ist, ihr Mandat der Preisstabilität zu erfüllen. Auch in dieser Hinsicht sind die Zahlen für die EZB ein Erfolg.
Der Anstieg der Inflationsrate im Dezember wegen Basiseffekten bei den Energiepreisen ist in den Inflationserwartungen der Verbraucher noch nicht berücksichtigt, da die Umfrage vor der Veröffentlichung dieser Daten erfolgte. Auch wenn sich Ökonomen einig sind, dass der disinflationäre Trend ungebrochen ist, könnte die gestiegene Teuerung die Inflationserwartungen wieder erhöhen.
Weiter Weg zum Inflationsziel
Trotz des jetzigen deutlichen Rückgangs der Inflationsprognose erwartet die Bevölkerung in der Eurozone weiterhin eine höhere Teuerung als die EZB. Diese geht in ihrer aktuellen Projektion von 2,7% für 2024 aus. Ökonomen, die das Münchner Ifo-Institut und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik befragt haben, rechnen für Westeuropa im laufenden Jahr mit einer Rate von 3,1%.
Am 25. Januar steht der nächste Zinsentscheid der EZB an. Eine weitere Verlängerung der Zinspause gilt als ausgemacht. Die Frage nach dem Zeitpunkt der ersten Zinssenkung wird an den Finanzmärkten heiß diskutiert. Obwohl Aussagen von EZB-Ratsmitgliedern dem widersprechen, spekulieren Anleger auf eine erste Lockerung bis spätestens April. Die gesunkenen Inflationserwartungen könnten sie als Bestätigung für ihre Prognose hernehmen.
IWF hält Zinssenkung im ersten Halbjahr für eher unwahrscheinlich
EZB-Ratsmitglied François Villeroy de Galhau und vor allem Gita Gopinath, stellvertretende Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), meldeten am Dienstag beim Weltwirtschaftsforum in Davos Zweifel an, dass die EZB zeitnah die Zinsen senkt. „Wir sollten davon ausgehen, dass die Zinsen irgendwann in diesem Jahr sinken werden, aber basierend auf den Daten, die wir derzeit sehen, gehen wir davon aus, dass dies in der zweiten Hälfte dieses Jahres wahrscheinlicher sein wird“, sagte Gopinath.
Portugals Notenbankchef Mário Centeno erneuerte in Davos hingegen seine Forderung, dass die EZB offen sein müsse, über Zinssenkungen bereits jetzt zu diskutieren. „Was mich als Entscheidungsträger am meisten besorgt, ist, wenn wir mehr machen, als notwendig ist, um die Inflation zu kontrollieren“, sagte er. Es werde derzeit viel über die Entwicklung der Löhne in der Eurozone gesprochen. „Ich sehe keine Gründe für ein Wiederaufflammen der Inflation.“ Einen möglichen Zeitpunkt für eine Zinssenkung nannte er jedoch nicht.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte nach dem Zinsentscheid im Dezember betont, dass der Rat über Zinssenkungen bislang nicht einmal diskutiert habe, da er es dafür noch zu früh sei.
Die Verbraucher in der Eurozone blicken deutlich optimistischer als zuletzt auf die Entwicklung der Inflation. Sowohl bei der Prognose für die kurze Frist als auch für den mittelfristigen Zeithorizont normalisieren sich die Werte. Für die Europäische Zentralbank (EZB) sind das gute Nachrichten.
Wertberichtigt Seite 2