Italiens Senat bremst Salvini vorerst aus

Abstimmung über Misstrauensvotum am 20. August - Lega-Chef für schuldenfinanzierte Steuersenkungen

Italiens Senat bremst Salvini vorerst aus

bl Mailand – Der italienische Senat und das Abgeordnetenhaus werden erst am 20. August über den Misstrauensantrag der rechtsnationalen Lega gegen die bisher von ihr mitgetragene Regierung abstimmen. In einem Votum des Senats sprach sich die Mehrheit der Senatoren mit den Stimmen der 5 Sterne und der Linken gegen den Wunsch von Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini aus, am heutigen Mittwoch über das Misstrauensvotum abzustimmen.Staatspräsident Sergio Mattarella könnte nach einem erfolgreichen Misstrauensantrag auch eine technische Regierung ernennen, die das Budget für 2020 vorbereitet, oder die 5 Sterne, als stärkste Partei im Abgeordnetenhaus, mit einer Regierungsbildung beauftragen. Dann würde nicht im Oktober bzw. Anfang November gewählt, wie es sich Salvini wünscht, sondern vielleicht erst nächstes Jahr oder gar erst zum Ende der Legislaturperiode 2022.Salvinis Kalkül ist bisher nicht aufgegangen. Beflügelt von Umfragewerten, die seine Lega bei 37 % sehen, will er schnell Neuwahlen, in denen ihm die Italiener “volle Machtbefugnisse” für die Umsetzung seiner Pläne geben sollen. Er plant Steuersenkungen, die Autonomie für einige Regionen und große Infrastrukturprojekte. Doch Salvini könnte sich verrechnet haben. Denn was noch vor wenigen Tagen undenkbar schien, rückt nun ins Reich des Möglichen: eine Allianz aus dem linken Partito Democratico (PD), der bisherigen Regierungspartei 5-Sterne-Bewegung sowie kleineren Gruppierungen. Im Parlament hätte ein solches Bündnis die Mehrheit.Umfragekönig Salvini hat bei den nationalen Wahlen im März 2018 mit seiner Lega 17 % erhalten und stellt deshalb nur eine Minderheit der Abgeordneten. Er sucht daher ein Bündnis mit der Berlusconi-Partei Forza Italia und den Ex-Neofaschisten von den Fratelli d’Italia.Unklar ist, warum Salvini die Regierung mitten im Urlaubsmonat August hat platzen lassen. Beobachter glauben, es liege an der wirtschaftlichen Situation. Angesichts drohender Handelskriege, des Brexit und einer Eintrübung der Weltkonjunktur fürchte Salvini eine Rezession. Diese würde auch der Lega angekreidet. Und in der Debatte um den Haushalt 2020 hätte Salvini wohl Federn lassen müssen, Premierminister Giuseppe Conte wollte eine Einigung mit der EU-Kommission und war deshalb kompromissbereit.Salvini will die Gunst der Stunde nutzen und hofft, nach einem deutliche Votum der Wähler eine volle Legislaturperiode Zeit für die Umsetzung seiner Pläne zu haben. Als Wahlkämpfer kann er voll auf Konfrontationskurs zur EU gehen – sowohl in Sachen Antiimmigrationspolitik als auch in puncto Wirtschaftspolitik. Er fordert erste Schritte zur Einführung einer Flat Tax von 15 % für Einkommen unter 55 000 Euro, die den Staat 12 Mrd. Euro kosten würde, Steuersenkungen auch für Unternehmen, öffentliche Investitionen und eine Justizreform. Zugleich will er die für den Fall, dass Italien die Defizitziele verfehlt, mit der EU-Kommission vereinbarte automatische Mehrwertsteuererhöhung aussetzen. Damit würde Italien auf einen Haushaltsfehlbetrag von sehr deutlich über 3 % zusteuern.Salvini punktet bei der Wirtschaft. Wirtschaftsverbände und viele einzelne Unternehmer unterstützen ihn. Vor allem Kleinunternehmer im Norden gehören zu seinen Wählern.Steuersenkungen sind zwar angesichts der im OECD-Vergleich hohen Steuer- und Abgabenquote prinzipiell richtig. Doch sie sind nicht gegenfinanziert, und die vielen Millionen Italiener, die heute einen Steuersatz von unter 15 % haben, hätten nichts davon. Hinzu kommt: Sie trieben die mit 135 % ohnehin hohen Schulden hoch und verteuerten die Refinanzierungskosten für den Staat, der 2019 noch 125 Mrd. Euro an auslaufenden Bonds erneuern muss, sowie von Banken und Unternehmen deutlich. Das könnte die stagnierende Wirtschaft abwürgen. Ausländische, aber auch inländische Anleger könnten aus Italien flüchten. Und viele Unternehmer investieren schon jetzt nicht, weil sie nicht wissen, auf welche Regierung sie sich einstellen müssen.