IWF sieht „Silberstreif“ bei Demografie
IWF sieht „Silberstreif“ bei Demografie
Studie: Erwartete Wachstumseinbußen fallen geringer aus durch immer leistungsfähigere Senioren
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Die demografische Entwicklung führt zwar zu einer Alterung der Gesellschaften mit immer weniger Erwerbstätigen, doch die 70-Jährigen von heute seien die 50-Jährigen von gestern und sollten immer länger arbeiten, fordert der IWF. Sozialreformen sowie der verstärkte Einsatz von Künstlicher Intelligenz können die wirtschaftliche Belastung für die Industrieländer mildern.
Das Wachstum der Weltbevölkerung wird sich nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Zeitraum von 2080 bis 2100 „auf praktisch Null verlangsamen“. Zugleich dürfte das Durchschnittsalter der Weltbevölkerung zwischen 2020 und 2100 um 11 Jahre steigen. Das beschleunige den Aufstieg der „Silver Economy“, wie der IWF die von der Senioren-Altersgruppe dominierten Wirtschaftsstruktur nennt.
Für die Wirtschaft sind das für sich betrachtet zunächst „düstere Aussichten“, schreibt der IWF in einem Kapitel des neuesten Weltwirtschaftsausblicks. Der Rückgang des Anteils der Personen im erwerbsfähigen Alter könne das Arbeitsangebot und das Produktionswachstum schmälern. Entsprechend werde das Wirtschaftswachstum sinken. Das langsamere Bevölkerungswachstum einhergehend mit einem geringeren Anteil jüngerer Bevölkerungsschichten könnte zu weniger Ideen und weniger Innovationen führen, was wiederum das Produktivitätswachstum senken würde. Schließlich könnten mangels Beitragszahler die Sozialsysteme implodieren.
Bevölkerung schrumpft
Nach den IWF-Prognosen wird das durchschnittliche jährliche Wachstum im Zeitraum 2025 bis 2050 demografiebedingt um etwa 1,1 Prozentpunkte niedriger veranschlagt als in den Jahren 2016 bis 2018. Bis 2100 soll der Abschlag sogar gut zwei Prozentpunkte betragen. Der IWF geht davon aus, dass auch die Produktivität mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten kann, weswegen in manchen Staaten auch das Pro-Kopf-Wachstum sinken wird: im Zeitraum 2025 bis 2050 um etwa 0,6 Prozentpunkte, und gegen Ende des Jahrhunderts um 1,8 Prozentpunkte.

Manche Länder wie Deutschland haben nach den Projektionen des IWF bis zum Jahr 2100 bereits das Gröbste überstanden, andere wie Indien, China und Spanien stehen noch davor und sollten die Zeit nutzen, um Gegenmaßnahmen einzuleiten, fordern die Ökonomen.
Das alles hat enorme Folgen für die Finanzkraft der Staaten. Weniger Wachstum lässt auch die Einnahmen des Staates nicht mehr so schnell steigen, zumal die Belastung der Erwerbstätigen mit Steuern und Abgaben Grenzen erreicht haben dürfte. Die Folge: Die Schuldentragfähigkeit geht zurück, ein höherer Primärsaldo ist nötig, um die bereits hohen Schuldenquoten nicht noch weiter anschwellen zu lassen. Der IWF macht hier explizit die USA, China und Japan als Problemländer aus.
Entsparen drückt Zinsen
Insgesamt führt diese Entwicklung auch zu einem Rückgang der Zinssätze, warnt der IWF, weil immer mehr Menschen ihre Altersvorsorge benötigen und „entsparen“. Das werde auch die Kapitalströme verändern: Große, aufstrebende Volkswirtschaften wie China und Indien würden noch mehr Auslandsvermögen akkumulieren, insbesondere im Zeitraum 2050 bis 2100, während viele fortgeschrittene Volkswirtschaften allmählich Auslandsvermögen abbauen würden.
„Junge Alte“ im Job halten
Allerdings räumt der IWF mit Bezug auf neue Studien ein, dass die Entwicklung insgesamt wohl etwas weniger drastisch erfolgen dürfte, wie zuletzt in Projektionen unterstellt. Bislang sei die Entwicklung und Veränderung der Leistungsfähigkeit der „jungen Alten“ zu wenig in den Fokus genommen worden. Durch Verbesserungen im Bereich des „gesunden Alterns“ werde der Wachstumseinbruch zwischen 2025 und 2050 wohl um etwa 0,4 Prozentpunkte geringer ausfallen, als bisher erwartet.
Nach den Projektionen des IWF könnten die Wachstumseinbußen in Indien im Zeitraum zwischen 2025 und 2050 damit um immerhin 0,6 Prozentpunkte geringer ausfallen, in Spanien um etwa 0,5 Punkte und auch in Deutschland noch um 0,4 Punkte. Danach schwinden aber wohl die Möglichkeiten, den „Altersberg“ noch wachstumsfreundlicher auszugestalten.
KI als Produktivitätsbooster
Insgesamt kann der positive Beitrag aber noch gesteigert werden, schreibt der IWF, wenn die Politik Reformen umsetzt, um Älteren einen späteren Renteneintritt schmackhaft zu machen, und sie beim Erhalt der Gesundheit und Leistungsfähigkeit unterstützt. Hilfreich könnte auch der Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI) sein, weil diese in der Lage sei, komplementär zu den Fertigkeiten der Älteren eingesetzt zu werden. Gerade die Schulung dieser Altersgruppe mit KI sei daher wichtig.
Insgesamt fordert der IWF zur Linderung der demografischen Lasten technologischen Fortschritt und Innovationen stärker zu fördern, um den nachteiligen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf das Produktionswachstum entgegenzuwirken und zugleich „die Formbarkeit des Alterns selbst zu verbessern“.