Auftragsmangel drückt Stimmung auf Rekordtief
Auftragsmangel drückt Stimmung
Mehr als jeder zweite Selbstständige betroffen − ZEW warnt vor Innovationslücke
ba Frankfurt
Die Konjunkturflaute und der damit zunehmende Auftragsmangel trifft immer mehr Selbstständige: Laut dem Ifo Institut klagte zu Jahresbeginn mehr als jeder Zweite über zu wenige Aufträge, die Stimmung ist zu Jahresbeginn zudem auf einem neuen Tiefstand. Zudem werden im langfristigen Vergleich immer weniger Unternehmen neu gegründet − vor allem wegen der Bürokratie. Aber auch der Fachkräftemangel und teure Energie spielen eine Rolle, wie eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt.
50,5% der vom Ifo befragten Selbstständigen berichteten im Januar über zu wenige Aufträge. Im Oktober waren es noch 48,5%. Zum Vergleich: In der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil bei 40,2%. „Die wirtschaftliche Durststrecke bei den Selbstständigen hat sich weiter zugespitzt“, sagte Ifo-Expertin Katrin Demmelhuber. „Der Auftragsmangel bleibt ein zentrales Problem.“
Aussichten etwas besser bewertet
Die Stimmung unter den Selbstständigen und Kleinstunternehmen ist so schlecht wie nie: Der „Jimdo-Ifo-Geschäftsklimaindex“ sank auf −24,9 Punkte, nach −23,4 im Dezember. Dabei ging die Bewertung der laufenden Geschäfte besonders deutlich zurück, wie die Münchener Wirtschaftsforscher erklärten. Obwohl die Aussichten auf die kommenden Monate etwas optimistischer beurteilt wurden, notiert das entsprechende Barometer weiter auf sehr niedrigem Niveau. „Der wirtschaftliche Sinkflug bei den Selbstständigen setzt sich fort“, kommentierte Demmelhuber.
Weniger Neugründungen
Die Konjunkturflaute macht sich beim Firmennachwuchs bemerkbar: Seit Mitte der 90er Jahre ist laut ZEW die Zahl der Neugründungen drastisch gesunken. Zwar wurde 2023 ein leichtes Plus um 1,3% auf rund 161.000 neue Firmen verzeichnet. Zu Beginn der Zeitreihe 1995 seien noch rund 240.000 neue Firmen entstanden. „Weniger Neugründungen bedeuten weniger Wettbewerb, weniger Investitionen und weniger gute Aussichten für die deutsche Wirtschaft“, warnte Hanna Hottenrott vom ZEW. Die Politik müsse Gründungen attraktiver machen.
Seit der Corona-Pandemie gibt es indes wieder mehr Gründungen in der Gastronomie, aber deutlich weniger in der Industrie. Besonders kräftig ist der Rückgang in forschungsintensiven Industriebranchen wie Maschinenbau, Chemie oder Elektrotechnik. Hier haben sich der Studie zufolge die Gründungszahlen seit 2002 mehr als halbiert: von damals 1.400 auf 625 im Jahr 2023. Bei weniger forschungsintensiven Branchen wie der Lebensmittel- und Textilbranche oder der Holz- und Zementindustrie ergibt sich ein Minus von 27% auf zuletzt rund 5.300. Die Studie beruht auf Handelsregister-Daten, die die Kreditauskunftei Creditreform ausgewertet und aufbereitet hat.
Forschung tut Not
Vor allem der Rückgang in forschungsintensiven Branchen sei bedenklich, mahnt ZEW-Expertin Sandra Gottschalk. „Dort drohen Innovationslücken, die sich langfristig auch auf andere Branchen in der deutschen Wirtschaft auswirken können.“ Zwar sei es gesamtwirtschaftlich betrachtet irrelevant, ob Innovationen von jungen Firmen kämen oder von Konzernen. „Wenn es weniger neue Firmen mit radikalen Ideen gibt, sinkt aber der Konkurrenzdruck auf die gesamte Branche.“
Ursächlich für die sinkenden Gründungszahlen sind dem ZEW zufolge Bürokratie, Fachkräftemangel und teure Energie. „Insbesondere der hohe Kostendruck durch Inflation und steigende Löhne sowie die schleppende Digitalisierung von Verwaltungsprozessen erschweren den Markteintritt für neue Unternehmen“, erklärte Gottschalk.