Johnsons Zwangspause trifft auf Widerstand
BZ London – Die britische Regierung verfolgt unbeeindruckt von Protesten der Opposition und zahlreicher Bürger einen kompromisslosen Brexit-Kurs. Doch auch in den eigenen Reihen wächst der Widerstand gegen Premierminister Boris Johnson wegen der verlängerten Sitzungspause für das britische Parlament.Der Vertreter der Regierung im Parlament, der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, rief am Donnerstag die Gegner eines Brexits ohne Vertrag auf, die Regierung zu stürzen oder aber ein Gesetz auf den Weg zu bringen, durch das ein ungeregelter Ausstieg aus der Europäischen Union ausgeschlossen werden soll. “Wenn sie weder die Courage noch den Grips haben, eines von beiden zu tun, dann werden wir am 31. Oktober in Übereinstimmung mit dem Referendum austreten”, sagte er. Rees-Mogg reagierte damit auf die Empörung über den Beschluss von Johnson, die Beratungszeit des Parlaments kurz vor dem geplanten Brexit-Termin zu verkürzen.Johnson hatte nach erfolglosen Versuchen, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu einer Neuverhandlung des von seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelten Brexit-Vertrages zu bewegen, die Sitzungspause des Parlaments im September um zwei Wochen bis zum 14. Oktober verlängert. Da das Parlament erst am kommenden Dienstag zusammentritt, ist die Zeit, einen unkontrollierten Brexit abzuwenden, dadurch stark verkürzt.Die oppositionelle Labour-Partei sprach am Mittwoch als Reaktion auf die Zwangspause von einem “Putsch gegen das Parlament”, Parlamentspräsident John Bercow von einem verfassungsrechtlichen Skandal. Am Abend hatten sich Hunderte Menschen vor dem Parlament versammelt und ihrem Unmut Luft gemacht. Seit Bekanntwerden der Regierungspläne unterzeichneten bis zum Nachmittag mehr als 1,4 Millionen Bürger eine Online-Petition, um die Suspendierung des Parlaments zu stoppen.Widerstand gegen Johnson regt sich auch in dessen konservativer Partei. Der Vertreter der Regierung im Oberhaus, George Young, trat aus Protest gegen den Kurs des Premierministers von seinem Amt zurück. Auch die Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, legte ihr Amt am Donnerstag nieder. Die Gründe dafür seien in erster Linie privat. Spekulationen, der Zeitpunkt ihres Rücktritts habe mit Johnsons Entscheidung zu tun, das Parlament in Westminster vorübergehend schließen zu lassen, wies Davidson zurück. Ihre Botschaft an Johnson sei: “Premierminister, besorgen sie uns einen Deal mit der Europäischen Union.” Sie gilt als eine der erbittertsten Gegnerinnen eines ungeregelten Brexits in der Tory-Partei.Die oppositionelle Labour-Partei strebt bislang eine Notfalldebatte kommende Woche im Parlament an. Der Handelsexperte der Partei, Barry Gardiner, sagte dem Sender Sky, dies könnte den Weg zu einem Gesetz gegen einen Brexit ohne Vertrag öffnen. Der Labour-Haushälter John McDonnell erklärte in einer Rede, Labour behalte sich ein Misstrauensvotum vor und würde eine Neuwahl des Parlaments begrüßen.Währenddessen hat ein schottisches Gericht am Donnerstag kurzfristig eine Anhörung zu der verordneten Zwangspause anberaumt. Wie der Court of Session in Edinburgh mitteilte, will eine Gruppe von Oppositionsabgeordneten eine einstweilige Verfügung erreichen, bis gerichtlich geklärt ist, ob die vorübergehende Schließung des Parlaments rechtmäßig ist. Solange soll die sogenannte Prorogation des Unterhauses nach dem Willen der Kläger nicht wirksam werden. Wann eine Entscheidung des Gerichts zu erwarten ist, war zunächst unklar.Bislang lehnt eine schmale Mehrheit im Parlament einen Brexit ohne Vertrag ab, da in dem Fall mit massiven wirtschaftlichen Rückschlägen gerechnet wird. Die EU weigert sich allerdings, den mit Theresa May ausgehandelten Brexit-Vertrag wieder aufzuschnüren.