Keir Starmer drückt auf „Reset“
Keir Starmer drückt auf „Reset“
Britischer Premierminister trifft den Europäischen Rat in Brüssel zum Dinner
hip London
von Andreas Hippin, London
Seit dem Amtsantritt der Regierung von Keir Starmer im Juli vergangenen Jahres sind in Großbritannien die Forderungen nach einer Brexit-Rückabwicklung lauter geworden. Der neue Premier und seine Schatzkanzlerin Rachel Reeves ließen von Anfang an keine Zweifel daran aufkommen, dass ihnen an einer Wiederannäherung an den Handelsblock gelegen ist. „Reset“ lautet dafür in Westminster das Buzzword.
Bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Regierungschefs der Staatengemeinschaft im Brüsseler Egmont-Palast will Starmer die gegenseitigen Beziehungen möglichst schnell auf eine neue Grundlage stellen. Themen sind die gemeinsame Unterstützung der Ukraine gegen Russland und die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus.
Vorbereitungstreffen mit Scholz
Natürlich gab es unter Starmers Führung am Freitag keinen Festakt zum fünften Jahrestag des EU-Austritts. Olaf Scholz kam am Sonntag zu einem Vorbereitungstreffen nach London, das man auch als Abschiedsbesuch werten konnte. Starmer wolle das Verhältnis zur EU stärken, um mehr Wachstum und engere Sicherheitsbeziehungen voranzutreiben, verlautbarte die britische Regierung im Anschluss. Er glaube, das würde allen zugute kommen.
Reeves macht angeblich hinter den Kulissen ordentlich Druck. Sie hofft, das für ihre ambitionierte Ausgabenplanung dringend benötigte Wachstum durch reibungsloseren Handel mit Kontinentaleuropa erreichen zu können. Außenminister David Lammy wäre auch für einen Wiedereintritt in die Zollunion zu haben. Wie die „Sunday Times“ unter Berufung auf zwei Quellen in Starmers Team berichtet, hofft man dort, den „Reset“ bereits im April oder Mai auf einem Gipfeltreffen zum Abschluss bringen zu können.
Comeback für Thomas-Symonds
Starmers Verhandlungsführer Nick Thomas-Symonds hatte sich einst für ein weiteres Brexit-Referendum stark gemacht, weil ihm der Ausgang des ersten nicht gefiel. Der Jurist ist eng mit dem Premier befreundet und sollte eigentlich Innenminister werden. Doch musste er in letzter Minute Yvette Cooper weichen. Glaubt man der „Mail on Sunday“, erweist sich Starmers Stabschef Morgan McSweeney bei der Wiederannäherung als Bremser. Er wolle die roten Linien im Wahlprogramm nicht überdehnen, die den Menschen das Gefühl geben sollten, dass sie Labour beim Thema Brexit vertrauen können.
Angst vor Reform UK
Dahinter steckt die Angst vor Nigel Farages neuer Rechtspartei Reform UK. In 89 Wahlkreisen, die sich Labour sichern konnte, lag sie an zweiter Stelle. In einer aktuellen Umfrage kommt Labour landesweit auf 26%. Das neue Vehikel von „Mr. Brexit" lag mit 24% vor den Tories, die lediglich 23% auf sich vereinigen konnten. Man darf davon ausgehen, dass Starmer dazu bereit ist, sich auf eine europäische Verteidigungsallianz einzulassen. Doch andere Forderungen aus der EU dürfte selbst er nicht erfüllen können wie das Jugendmobilitätsabkommen, das EU-Bürgern unter 30 Jahren Freizügigkeit ermöglichen würde. Mindestens ebenso umstritten ist eine Fortschreibung des Zugangs von EU-Fischfangflotten zu britischen Gewässern.