Kanzler-Machtwort

Kernkraft­werke bleiben bis April am Netz

Nachdem Einigungsversuche von Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) zum Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke erfolglos blieben, hat der Kanzler in der Energiekrise ein Machtwort gesprochen.

Kernkraft­werke bleiben bis April am Netz

wf Berlin –

Alle drei deutschen Kernkraftwerke bleiben über den Jahreswechsel hinaus bis längstens 15. April 2023 am Netz – auch das umstrittene Kernkraftwerk Emsland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies seine Minister schriftlich an. Dies teilte ein Regierungssprecher in Berlin mit. Einigungsversuche zwischen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und auch Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) waren zuvor erfolglos geendet. „Der Bundeskanzler hat nun Klarheit geschaffen“, twittert Lindner. Die weitere Nutzung der Kernkraft sei ein wichtiger Beitrag für Netzstabilität, Stromkosten und Klimaschutz. „Der Vorschlag findet die volle Unterstützung der Freien Demokraten.“

„Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 hinaus bis längstens zum 15.4.2023 zu ermöglichen“, schreibt Scholz an Lemke, Habeck und Lindner. Der Kanzler bittet um zeitnahe Regelungsvorschläge für das Kabinett am Mittwoch. Lindner signalisiert Bereitschaft, nun sofort und gemeinsam die gesetzliche Grundlage zu schaffen. Der Gesetzentwurf zum Betrieb der Kernkraftwerke soll noch in dieser Woche den Bundestag passieren. Die Betreiber der Kernkraftwerke benötigen möglichst bald Klarheit. Die nächste Sitzungswoche des Bundestags ist erst in der zweiten November-Woche.

Ringen um den Ausstieg

Ursprünglich sollten im Zuge des Atomausstiegs alle drei verbliebenen Kernkraftwerke zum Jahresende 2022 abgeschaltet werden. Nachdem Russland seine Energielieferungen nach Westeuropa weitgehend eingestellt hat, war Habeck bereit, die beiden süddeutschen Kernkraftwerke über den Jahreswechsel hinaus in Bereitschaft zu halten. Neue Brennstäbe sollen nicht mehr eingesetzt werden. Das Kraftwerk Emsland in Niedersachsen sollte hingegen abgeschaltet werden. Politische Beobachter sahen darin einen Zusammenhang mit dem Landtagswahlkampf in Niedersachsen, aus dem SPD und Grüne mittlerweile siegreich hervorgegangen sind. Die FDP flog aus dem Landtag. Die Parteibasis der Grünen hatte am Wochenende grünes Licht für Habecks Pläne gegeben, aber nicht für mehr.

Die Liberalen im Bund beharrten auf einem Weiterbetrieb aller drei Atommeiler bis 2024. Damit müsse weniger knappes Gas verstromt werden, lautet die Argumentation. Zudem dringt die FDP darauf, möglichst viele Energiequellen zu mobilisieren, um das Angebot zu steigern und so die Preise zu drücken. Der Kanzler kündigt nun in seinem Schreiben an: „Es wird ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt.“

Auch der verlängerte Betrieb der Kohlekraftwerke bis 2024 soll in einer politischen Verständigung zwischen Bund, Nordrhein-Westfalen und dem Betreiber RWE umgesetzt werden. Dies gilt dem Schreiben zufolge auch für den vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinischen Revier bis 2030. Dort blockieren Aktivisten die verlassene Ortschaft Lützerath. Mit der Entscheidung in Berlin dürfte dort für die Braunkohlegewinnung nun abgebaggert werden. Ein zusätzlicher Schritt zur Versorgungssicherheit betrifft Wasserstoff. Die Bundesregierung werde die Voraussetzung für den „Zubau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke“ schaffen, schreibt Scholz an die Minister.