Koalition macht Ernst bei Mitarbeiterkapitalbeteiligung
Von Angela Wefers, BerlinMehr Schwung für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung hatte die schwarz-rote Bundesregierung schon seit Beginn der Legislaturperiode versprochen. Nun könnte daraus – kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit – noch etwas werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat den Entwurf eines “Fondsstandortgesetzes” in die Ressortabstimmung gegeben, der auch Steuererleichterungen für Beteiligungskapital in Mitarbeiterhand vorsieht. Der Gedanke folgt internationalen Usancen für die Behandlung von Start-ups. Geht es nach Scholz, soll der Entwurf noch in diesem Jahr im Bundeskabinett verabschiedet und damit das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag auf den Weg gebracht werden. Bis Sommer 2021 könnte die Neuregelung in Kraft treten.Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) muss nun in der Ressortabstimmung sehen, wie er seine Vorstellungen noch im Entwurf verwirklichen kann. “Wir sehen hier noch Verbesserungsbedarf bei wichtigen Punkten und bringen uns daher aktiv ein”, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage zu dem Entwurf aus dem Bundesfinanzministerium. Vage blieb das Haus von Altmaier bei der Frage, um welche wichtigen Punkte es genau geht. Eine Thema dürfte der Anwendungsbereich sein, der nach der Vorstellung des Wirtschaftsministers möglichst viele Start-ups erfassen soll. Bei einem weiteren Punkt dreht es sich um die Reichweite der Umsatzsteuerbefreiung für die Managementleistungen von Wagniskapitalfonds. Diese Leistung ist hierzulande durch die Steuerpflicht im internationalen Vergleich teuer. Altmaier steckt politisch gewissermaßen in der Klemme: Nachdem Scholz mit dem Entwurf, der ursprünglich ein gemeinsames Anliegen war, vorgeprescht ist, hat er nur noch wenige Druckmittel. Hält er den Entwurf an, weil er seine Vorstellungen nicht durchbekommt, würde er gegen seine eigenen Interessen und die der Branche handeln. Start-ups im Fokus Ende April 2020 hatten Experten unter der Führung der Universität Viadrina eine von Altmaier in Auftrag gegebene Studie veröffentlicht. Darin machten sie Vorschläge, wie Mitarbeiterkapital in Deutschland gestärkt werden kann. Kapitalbeteiligungen der Beschäftigten sind hierzulande – milde gesagt – noch deutlich ausbaufähig. Nur rund 1 % der Unternehmen bieten nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums dem Personal die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Traditionellerweise sind dies große Dax-Aktiengesellschaften. Aber auch in der Start-up-Szene spielt das Instrument eine wichtige Rolle. Da die Unternehmen oft noch keinen Gewinn machen und in der Aufbauphase in chronischer Geldnot sind, vergüten sie ihre Mitarbeiter auch über Anteile.Hierzulande ist die Besteuerung dafür ungünstig, weil die Überlassung von Anteilen als Sachbezug sofort der Einkommensteuer unterliegt und diese Mitarbeiter in Liquiditätsprobleme bringt. Schwarz-Rot hatte deshalb im Koalitionsvertrag eine Gründungsinitiative vereinbart und darunter auch diesen Punkt aufgeführt: “Wir werden neue Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung prüfen.” Die nachteilige Besteuerung der Beteiligung als Lohnersatz soll sich nun ändern. Der Entwurf von Scholz sieht vor, dass diese Anteile als “Dry Income” zunächst nicht, sondern erst nachgelagert besteuert werden – in der Regel, wenn die Anteile veräußert werden. Spätestens soll dies aber nach zehn Jahren oder nach einem Arbeitgeberwechsel der Fall sein. Außerdem soll der bereits Ende 2019 in der Koalition beschlossene Punkt umgesetzt werden, nach dem der Steuer- und Abgabenfreibetrag von 360 auf 720 Euro im Jahr verdoppelt wird. Ausgedehnt werden soll laut Entwurf auch die Umsatzsteuerbefreiung auf Managementleistungen bei Wagniskapitalfonds. Start-ups profitieren indirekt von dem Kostenvorteil. Die Wagniskapitalfonds als ihre Geldgeber können diesen Kostenvorteil weitergeben. Die Konkurrenzlage gegenüber anderen Standorten in Europa würde für Deutschland dadurch besser. Weniger Bürokratie für Fonds Schließlich will Scholz Deutschland als Standort für Investmentfonds attraktiver machen, ohne allerdings den Anlegerschutz aus dem Auge zu verlieren. Dafür soll die Branche von Bürokratie entlastet werden – etwa durch die Abschaffung von Schriftformerfordernissen. Zudem soll die Aufsicht über Investmentfonds digitalisiert werden. Auch dem Nachhaltigkeitsaspekt will das Ministerium mit dieser Gesetzesnovelle zu mehr Geltung verhelfen. Der Entwurf ändert die Anforderungen an die Vermarktung von Finanzprodukten und Unternehmensanleihen, wenn diese als ökologische Investitionen klassifiziert werden. Experten gehen weiterDie wissenschaftliche Studie zu Mitarbeiterkapital aus diesem Frühjahr hatte aber weitreichendere Vorschläge gemacht. Demnach solle der Steuerfreibetrag für die Anlage, angelehnt an Regelungen in anderen europäischen Ländern, auf 2 000 bis 4 000 Euro ausgedehnt werden. Dem schloss sich die CDU nun mit der Forderung nach einem Freibetrag von mindestens 3 500 Euro an. Zudem soll laut CDU ein Familienbonus von 500 Euro für jedes Kind den Freibetrag erhöhen. Bei Start-ups rieten die Forscher zudem zur Unterscheidung zwischen echter Kapitalbeteiligung und Gewinnbeteiligung. Die nachgelagerte Besteuerung könnte die Kapitalbeteiligung fördern. Beim Exit plädieren sie für eine steuerliche Abgeltung mit 25 % anstelle der Belastung nach dem progressiven Einkommensteuertarif.Auch die Fraktionen im Bundestag haben noch ein Wörtchen mitzureden, wenn sich die Minister unterschiedlicher Couleur im Kabinett geeinigt haben. Vorgesorgt hat die Regierung jedenfalls: Im milliardenschweren Corona-Konjunkturpaket vom Juni sind auch 100 Mill. Euro für die bessere Mitarbeiterkapitalbeteiligung eingeplant.