Kongresswahlen mit weitreichenden Folgen
Von Peter De Thier, WashingtonSelten waren US-Kongresswahlen so wichtig wie in diesem Jahr. Bei den “Midterms”, wie die Abstimmungen zwischen Präsidentschaftswahlen genannt werden, wird unter anderem darüber entschieden, ob in Washington weiterhin Republikaner bis 2020 das Sagen haben werden. Als wahrscheinlicher gilt allerdings, dass es zumindest zu einer teilweisen Kräfteverschiebung auf dem Kapitolshügel in Washington kommt.Sämtliche 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses und 35 der 100 Senatoren müssen sich den Wählern stellen. Auch werden 35 der 50 Gouverneure, wo Republikaner eine klare Mehrheit stellen, neu gewählt. Die Gouverneurswahlen sind deswegen relevant, weil Entscheidungen, die auf der Ebene einzelner Staaten getroffen werden, auch in Washington Wirkung entfalten können. Dazu zählt etwa die neue Festlegung von Wahlbezirken, um einzelne Wählergruppen zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Durch sogenanntes “Gerrymandering” haben sich Republikaner bei vergangenen Kongresswahlen bedeutende Vorteile verschaffen können. Die meisten Prognosen gehen auf Bundesebene davon aus, dass die demokratische Opposition im Repräsentantenhaus, wo ein Nettogewinn von 24 Sitzen notwendig ist, die Mehrheit zurückerobern wird. Im Senat, wo Republikaner derzeit nur eine hauchdünne Mehrheit besitzen, dürfte die Regierungspartei hingegen ihre Position behaupten und eventuell sogar ein oder zwei Mandate dazugewinnen. Der Grund dafür, dass die Kongress- und Gouverneurswahlen auf deutlich größeres Interesse stoßen als in vergangenen Jahren, liegt allein in der Person Donald Trumps, über dessen ersten beide Jahre im Amt die Wahlen zugleich ein Referendum sind. Demokraten wollen um jeden Preis verhindern, dass der Präsident einen Blankoscheck erhält, um mit der Rückendeckung beider Kongresskammern neue Gesetze zu verabschieden. Sie befürchten, dass er unter anderem versuchen würde, das Dodd-Frank-Gesetz zu kippen und somit die Deregulierung des Finanzsektors voranzutreiben. Auch könnte er mit Mehrheiten in beiden Kammern versuchen, Sozialausgaben zu kürzen, die Förderung erneuerbarer Energien einzustellen, eine diskriminierende Einwanderungsreform zu verabschieden und allgemein die staatliche Gewaltenteilung weiter zu unterlaufen. Folglich wird davon ausgegangen, dass Demokraten in Rekordzahlen die Wahllokale besuchen. Ganz anders schätzen Trumps Anhänger seine Präsidentschaft ein. Sie sind glücklich über die Wirtschaftslage, steigende Einkommen und den robusten Arbeitsmarkt. Setzen Republikaner ihre Begeisterung für Trump ebenfalls in Wählerstimmen um, dann könnten sie sogar in beiden Kammern die Oberhand behalten. Der Wahlausgang dürfte für die Regierungsfähigkeit des Präsidenten gravierende Folgen haben. Obwohl er sich mittlerweile anschickt, per Dekret selbst die Verfassung ändern zu wollen, so etwa beim Erhalt der Staatsbürgerschaft für jeden, der auf US-Staatsgebiet geboren wurde – das will er für Kinder illegaler Einwanderer abschaffen – würde eine demokratische Mehrheit in auch nur einer Kammer ihm die Hände binden. Neue Gesetze, die beide Häuser billigen müssen, wären so gut wie chancenlos. Das Nachfolgeabkommen zum nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta wäre vom Tisch. Gesundheits- und Sozialreformen hätten kaum Aussichten auf Verabschiedung, und ein neues Einwanderungsgesetz, welches unter anderem Geld für Trumps umstrittene Mauer entlang der mexikanischen Grenze enthält, könnte der Präsident ebenfalls begraben.