„Wesentliche Mängel“ im Modell
„Wesentliche Mängel“ im Modell der Bank of England
Ex-Fed-Chef Ben Bernanke nimmt kein Blatt vor den Mund
hip London
Der frühere US-Notenbankchef Ben Bernanke hat „wesentliche“ Mängel im ökonomischen Modell ausgemacht, das den Prognosen der Bank of England zugrunde liegt. Die Notenbank hatte ihn im Sommer vergangenen Jahres damit beauftragt, herauszufinden, warum ihre Ökonomen mit ihren Prognosen zuletzt so stark danebenlagen. Nun liegt sein Bericht vor.
Veraltete Software
Wichtige Software, die bei der Erstellung der Vorhersagen verwendet werde, sei veraltet, heißt es darin. Wichtige Funktionalitäten fehlten. Wichtige ökonomische und statistische Modelle seien nicht auf dem neuesten Stand gehalten worden. Es habe keine Stresstests gegeben. Die Modelle seien auch nicht hinreichend integriert. Outputs flössen nicht automatisch dorthin, wo sie hingehörten, sondern müssten mühselig von Hand übertragen werden. Notbehelfe für solche Probleme hätten über die Jahre zu einem unhandlichen und unflexiblen System geführt. Das Ausgangsmodell „Compass“ sollte aus Sicht Bernankes „ersetzt, zumindest aber von Grund auf überarbeitet“ werden.
Überflüssige Durchschnittswerte
Die Fächercharts, mit denen in den Inflationsberichten der Notenbank mögliche Entwicklungen von wichtigen Konjunkturdaten wie der Teuerungsrate dargestellt werden, hätten „schwache konzeptionelle Grundlagen, transportieren wenig nützliche Informationen, die nicht auch auf direktere Weise anders kommuniziert werden können, und werden von der Öffentlichkeit wenig beachtet“, heißt es in seinem Bericht. „Sie sollten eliminiert werden.“ Auch auf die derzeit produzierten Durchschnittswerte könne verzichtet werden. Eine qualitative Beschreibung von Risiken und Ungewissheiten sei vorzuziehen. Zudem rät Bernanke, weniger Gewicht auf die vom Markt angenommene künftige Zinsentwicklung zu legen und unterschiedliche Szenarien zu entwickeln.
Lombardellis erste Aufgaben
Es wird zu den ersten Aufgaben von Clare Lombardelli gehören, Konsequenzen aus dem Bericht Bernankes zu ziehen. Die ehemalige OECD-Chefvolkswirtin löst am 1. Juli Ben Broadbent als stellvertretende Gouverneurin der Bank of England ab.
Wachstum setzt sich fort
Wie das Statistikamt ONS unterdessen mitteilte, wuchs die britische Wirtschaft im Februar um 0,1%. Zudem wurde die Schätzung für Januar von 0,2% auf 0,3% nach oben revidiert. Größter Wachstumstreiber war die Industrie. Das Dienstleistungsgewerbe wuchs nur wenig.
Damit spricht viel dafür, dass die technische Rezession, in der sich das Land im zweiten Halbjahr 2023 befunden hatte, zum Jahresabschluss beendet war. Um auch im Auftaktquartal ein Minuszeichen zu erzeugen, müsste die Wirtschaft im März ungewöhnlich stark geschrumpft sein. Die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins rechnet mit einem Wachstum von 0,4% im ersten Quartal. „Die britische Wirtschaft befindet sich am Wendepunkt“, sagte der Deutsche-Bank-Volkswirt Sanjay Raja. „Der Ausblick ist heller als noch vor ein paar Monaten.“