Kurzarbeit stabilisiert Jobmarkt

Bundesagentur für Arbeit: 6,8 Millionen Betroffene im April - Arbeitslosenquote steigt - Neue EU-Initiative

Kurzarbeit stabilisiert Jobmarkt

Das Instrument der Kurzarbeit hat dem deutschen Arbeitsmarkt bislang einen Gutteil der möglichen Folgen der Corona-Pandemie erspart. Dessen ungeachtet ist im Juni die Arbeitslosenzahl deutlich gestiegen. Ökonomen erwarten, dass der Höchststand erst im Verlauf der kommenden Monate erreicht wird.ba Frankfurt – Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland erneut gestiegen, allerdings nicht mehr ganz so kräftig wie im Monat zuvor. Zwar stehe der Jobmarkt wegen der Corona-Pandemie weiter unter Druck, doch wirke sich die Kurzarbeit stabilisierend aus, betonte Detlef Scheele, Vorsitzender der Bundesagentur für Arbeit (BA), gestern bei der Vorstellung der Arbeitsmarktzahlen. Ökonomen warnen daher, dass die Arbeitsmarktdaten dadurch freundlicher aussehen, als sie wirklich sind – auch wegen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis vorerst Ende September. In den Herbstmonaten könnte die befürchtete Insolvenzwelle anrollen. Viele Beschäftigte, die derzeit auf Kurzarbeit sind, könnten dann ihre Jobs verlieren. Der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit sei daher erst in den kommenden Monaten zu erwarten.Vorläufigen BA-Daten zufolge ist die Arbeitslosenzahl erneut und untypisch für diese Jahreszeit gestiegen – um 40 000 im Monatsvergleich auf 2,853 Millionen (siehe Grafik). Im Mai hatte das Plus bei 169 000 gelegen. Scheele zeigte sich zuversichtlich, dass die Arbeitslosenzahl im Sommer unter der Grenze von drei Millionen bleibt. “Im Winter muss man es dann sehen.” Nach Berechnungen der Nürnberger Behörde sind durch die Coronakrise zwischen April und Juni 638 000 Menschen arbeitslos geworden. Ifo skeptischerDie Kurzarbeit ist im April auf ein Rekordhoch geklettert: Den aktuellen Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme zufolge wurde für 6,83 Millionen Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt, nach 2,49 Millionen im März. Im Mai könnten die Zahl der Kurzarbeiter Scheele zufolge leicht auf sechs Millionen sinken. Das sind deutlich weniger als die vom Münchner Ifo-Institut bei der monatlichen Unternehmensumfrage ermittelten 7,3 Millionen Kurzarbeiter im Mai und 6,7 Millionen im Juni.Scheele erwartet, dass der Höchststand bei der Kurzarbeit mit März und April überstanden ist, wie Reuters den BA-Chef zitiert. Dafür sprechen auch die nicht mehr ganz so dynamisch steigenden Kurzarbeitsanzeigen: Vom 1. bis 25. Juni wurde für 342 000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt, nach 1,14 Millionen im Mai und zusammen 10,66 Millionen im März und April. Unternehmen zeigen oft prophylaktisch Kurzarbeit an. Wie viele Arbeitnehmer dann tatsächlich betroffen sind, zeigt sich erst mit bis zu dreimonatiger Verzögerung, wenn die Betriebe mit der BA das Kurzarbeitergeld abrechnen.Für Union-Investment-Chefvolkswirt Jörg Zeuner stellen sich vor allem zwei Fragen: Wie lange und in welchem Umfang die Kurzarbeit genutzt wird und wie viele der Betroffenen dauerhaft in ordentliche Beschäftigungsverhältnisse zurückkehren. Da mit der Kurzarbeit auch der Kündigungsschutz ende, könnte “es zu einer zweiten Welle an Entlassungen kommen – voraussichtlich aber erst im kommenden Jahr”, so Zeuner. KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib betonte, dass es nun darauf ankomme, dass sich die Arbeitslosigkeit nicht verfestige und zu bleibenden Nachteilen führe: “Hierfür müssen Lehrstellen und Qualifizierungsangebote in größerer Zahl geschaffen werden.”In diese Richtung zielt auch ein 22 Mrd. Euro schwerer Vorstoß der EU-Kommission: In einem gestern vorgestellten Vorschlag an die EU-Staaten regt die Brüsseler Behörde an, die sogenannte Jugendgarantie auszuweiten, die Jugendlichen binnen vier Monaten ein Angebot für Job, Ausbildungsplatz oder Praktikum verspricht. Zudem sollen Millionen Arbeitnehmer fortgebildet werden – wofür etwa 48 Mrd. Euro pro Jahr an privaten und öffentlichen Mitteln nötig wären. Es wird befürchtet, dass die seit 2013 von 24,4 auf 14,9 % gedrückte Jugendarbeitslosigkeit wieder Richtung 25 % schnellt.