Geldpolitik

Lagarde-Kampfansage an die Märkte

Angesichts deutlich gestiegener Anleiherenditen hat die EZB das Tempo ihrer Anleihekäufe vorübergehend deutlich erhöht, um die Finanzierungsbedingungen günstig zu halten. Trotzdem steigen die Zinsen derzeit wieder. EZB-Präsidentin Christine Lagarde verschärft nun den Ton. Die Euro-Inflation zieht derweil an.

Lagarde-Kampfansage an die Märkte

ms Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Entschlossenheit der Europäischen Zentralbank (EZB) untermauert, gegen allzu stark steigende Anleiherenditen vorzugehen – und dabei auch eine klare Kampfansage an Investoren gerichtet, nicht gegen die Notenbank zu spekulieren. „Sie können uns testen, so viel sie wollen“, sagte Lagarde am Mittwoch in Bloomberg TV. Die Notenbank besitze außergewöhnliche Werkzeuge, die sie einsetzen könne – und notfalls auch werde. Dabei lässt sich die EZB auch von einer weiter anziehenden Inflation nicht beirren, die im März erneut einen Sprung machte – das aber vor allem wegen Basis- und Sonderfaktoren.

Umstrittener Kurs

Nach einer zwischenzeitlichen Pause nimmt an den Anleihemärkten der Renditeanstieg wieder Fahrt auf. Als Auslöser gelten gute Wachstumsaussichten insbesondere für die USA und China. Obwohl die Aussichten für die Euro-Wirtschaft weniger günstig sind, steigen auch im Euroraum die Kapitalmarktzinsen. Die EZB befürchtet eine ungerechtfertigte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen, die die wirtschaftliche Erholung von der Coronakrise gefährden könne. Sie hat deshalb ihre Käufe im Zuge des Pandemie-Notfallanleihekaufprogramms PEPP vorübergehend deutlich erhöht. Der Kurs ist aber nicht unumstritten.

„Wir haben im Moment außergewöhnliche Umstände, mit denen wir umgehen müssen, und wir haben im Moment außergewöhnliche Werkzeuge, die wir einsetzen können, und zwar eine ganze Batterie davon“, sagte Lagarde nun: „Wir werden sie je nach Bedarf einsetzen, um unser Mandat zu erfüllen und unser Versprechen gegenüber der Wirtschaft einzulösen.“ Lagarde wollte sich aber nicht dazu äußern, ob das jüngste PEPP-Kaufvolumen von rund 20 Mrd. Euro pro Woche ein Niveau sei, auf das sich die Euro-Hüter geeinigt hätten. Angesichts der Ausnahmesituation nutze die EZB die „maximale Flexibilität“ des 1,85-Bill.-Euro-Programms, so Lagarde: „Wir werden alles davon einsetzen oder nicht, oder mehr, und wir werden sicherlich nach Bedarf anpassen.“

Die Euro-Hüter streben zumindest eine gewisse Abkopplung der Euro-Renditen von den US-Zinsen an. Die Euro-Wirtschaft hinkt dem US-Pendant wegen steigender Infektionszahlen und langsamerer Impffortschritte deutlich hinter. Zudem ist die fiskalische Unterstützung in den USA stärker. Einige EZB-Granden haben denn auch zuletzt bereits erste, teils vorsichtige Botschaften gesendet, dass die Euro-Politik die fiskalische Unterstützung noch einmal steigern müsse.

Unterdessen hat die Inflationsrate im Euroraum im März wie erwartet erneut einen Sprung gemacht. Laut einer ersten Schätzung von Eurostat erhöhte sich die Rate von 0,9% im Februar auf 1,3%. Das ist der höchste Wert seit Februar 2020, also vor dem weltweiten Ausbruch der Corona-Pandemie. Treiber waren vor allem höhere Energiepreise.

Der Anstieg fiel aber etwas geringer aus als von Volkswirten erwartet. Sie hatten im Mittel einen Wert von 1,4% vorausgesagt. Zudem gab die Kerninflation, also jene Rate ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise, sogar spürbar nach und sank von zuletzt 1,1% auf unter 1% bei 0,9%. Die Kernrate gilt gemeinhin als besserer Indikator für den zugrunde liegenden Preisdruck im Euroraum.

Die EZB dürfte die neuen Daten als Bestätigung ihrer Einschätzung sehen, dass der aktuelle Preisauftrieb vor allem durch Basis- und Sonderfaktoren wie die Ölpreise und das Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland getrieben und mithin vorübergehend sei. Die EZB-Granden haben deshalb wiederholt klargemacht, dass sie durch den Anstieg „hindurchschauen“ wollen – auch wenn im Jahresverlauf das mittelfristige EZB-Inflationsziel von unter, aber nahe 2% nicht nur in Reichweite rückt, sondern womöglich sogar deutlich überschritten wird. Für 2022 werden dann vielfach wieder sinkende Inflationsraten vorausgesagt. Für ein wirkliches Inflationsumfeld fehlt bislang vor allem der Lohnauftrieb.

Allerdings warnen einige Experten auch davor, das Risiko einer dauerhaft stärkeren Inflation zu unterschätzen. In diese Richtung äußerte sich vergangene Woche auch Ex-EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 24. März), der die EZB für den jüngsten Entscheid kritisierte. Einige Beobachter sehen vor allem auch die hohen Geldmengenwachstumsraten als Hinweise auf mittel- und langfristige Inflationsrisiken.