EZB-Geldpolitik

Lagarde legt nach gegen Zins­spekulationen

Vergangene Woche ist EZB-Chefin Christine Lagarde Spekulationen auf eine Zinserhöhung im Jahr 2022 entgegengetreten. Die Märkte überzeugte das aber nicht so ganz. Nun legt sie noch einmal nach.

Lagarde legt nach gegen Zins­spekulationen

ms Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist noch einmal Spekulationen entgegengetreten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bereits 2022 ihre Leitzinsen anheben könnte – wie es einige Marktakteure erwarten. Die EZB habe in ihrem geldpolitischen Ausblick (Forward Guidance) drei Bedingungen genannt, die erfüllt sein müssten, bevor die Zinsen erhöht werden, sagte Lagarde am Mittwoch in einer Rede in Lissabon. „Trotz des gegenwärtigen Inflationsanstiegs bleibt der Inflationsausblick mittelfristig verhalten, und daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese drei Bedingungen nächstes Jahr erfüllt sind“, sagte Lagarde.

Mit ihren Aussagen untermauert und verstärkt Lagarde ihre Absage an Zinserhöhungen im nächsten Jahr. Bereits nach der Zinssitzung vergangenen Donnerstag hatte sie sich entsprechend geäußert. Viele Marktbeobachter hatten das danach aber als halbherzig be­zeichnet, und viele hielten deshalb an ihrer Erwartung an rasche Zinserhöhungen fest. Am Tag nach der Sitzung hatte dann der unerwartet kräftige Sprung der Euro-Inflation auf 4,1% im Oktober solche Spekulationen angefacht. Hinzu kommt, dass andere Notenbanken ihre Geldpolitik entweder bereits gestrafft haben oder dies vorhaben.

Märkte nicht ganz überzeugt

Nach der Zinssitzung hatte La­garde gesagt, dass die Analysen der EZB zur Inflationsentwicklung die Erwartungen an den Finanzmärkten zu Zinserhöhungen Ende 2022 „nicht unterstützen“ – und „auch nicht bald danach“, wie sie hinzufügte. Auf die Frage, ob die Märkte zu weit gegangen seien, sagte sie indes nur, dass ihr ein solches Urteil nicht zustehe. Nicht zuletzt diese Aussage hatte dazu beigetragen, dass Marktakteure nicht völlig überzeugt waren. Im EZB-Rat waren solche Formulierungen eine Art Kompromiss.

Laut der aktuellen Forward Guidance geht der EZB-Rat davon aus, dass er die EZB-Leitzinsen so lange nicht erhöht, bis er feststellt, dass die Inflationsrate deutlich vor dem Ende des Projektionszeitraums (von rund drei Jahren) 2% erreicht und sie diesen Wert im weiteren Verlauf des Projektionszeitraums dauerhaft hält. Zudem muss die Entwicklung der zugrundeliegenden Inflation so weit fortgeschritten sein, dass sie mit einer sich mittelfristig bei 2% stabilisierenden Inflation vereinbar ist. Diese Bedingungen sieht zumindest die Mehrheit der Euro-Hüter ab­sehbar nicht erfüllt. Dabei richtet sich der Blick wegen des Prognosezeitraums verstärkt auf das Jahr 2024. Derzeit scheinen viele Notenbanker überzeugt, dass die Teuerung dann unterhalb des Inflationsziels von 2% liegen wird. Bei der Dezember-Sitzung legen die EZB-Volkswirte erstmals eine Projektion für 2024 vor. Für 2023 hatten sie im September ei­ne Teuerung von 1,5% prognostiziert.

Hinter dem aktuellen Inflationsanstieg sieht die EZB vor allem drei Faktoren: die stark gestiegenen Energiepreise; die Effekte der Pandemie und der anschließenden Erholung sowie Basiseffekte wie die temporäre Mehrwertsteuersenkung in Deutschland. All diese Effekte würden 2022 nachlassen oder aus der Statistik fallen. Deswegen hält die EZB an ihrem Narrativ eines nur vorübergehenden Inflationsanstiegs fest.

Allerdings haben auch im EZB-Rat zuletzt kritischere Stimmen zugenommen. Am Mittwoch warnte der slowenische Zentralbankchef Bostjan Vasle, dass das Risiko zunehme, dass die hohe Inflation länger anhalte. Niemand könne eine Verschiebung bei den Inflationserwartungen oder Zweitrundeneffekte ausschließen. Als nahezu sicher gilt, dass das 1,85 Bill. Euro umfassende Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP im März 2022 endet. Ein Ende der Anleihekäufe insgesamt ist bislang aber noch nicht absehbar.