AUFREGUNG UM EU-PERSONALPAKET

Lagarde und Berlin nicht immer auf einer Linie

Diskrepanzen mit IWF über Fiskalpolitik

Lagarde und Berlin nicht immer auf einer Linie

Von Archibald Preuschat, FrankfurtWenn Christine Lagarde Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) wird, dann ist ihr Dienstsitz Frankfurt. So wird die Französin auch mehr in Deutschland unterwegs sein, über manches Schlagloch auf den Straßen fahren oder wegen eines Funklochs ihre E-Mails unterwegs nicht abrufen können.All das wird Wasser auf die Mühlen der 63-Jährigen sein. Denn in ihrer bisherigen Funktion als geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurden sie und ihre Institution nicht müde, insbesondere Deutschland zu verstärkten staatlichen Investitionen, nicht zuletzt in die Infrastruktur, aufzurufen.Der im April veröffentlichte Weltwirtschaftsbericht des IWF prognostiziert das Wachstum der deutschen Wirtschaft im laufenden Jahr auf nur noch 0,8 %, zu Jahresbeginn hatte der IWF für Europas größte Volkswirtschaft noch 1,3 % auf dem Zettel, im Herbst 2018 sogar noch 1,9 %. Angesichts dieser Abschwächung war die Forderung von Lagardes Organisation an Berlin deutlich: “In Deutschland, wo sich das Wachstum verlangsamt hat, kann der verfügbare fiskalische Spielraum genutzt werden, um die öffentlichen Investitionen in Sach- und Humankapital zu erhöhen oder die Lohnnebenkosten zu senken”, hieß es im Bericht von April verbunden mit der Mahnung, entsprechende Maßnahmen “rasch” auf den Weg zu bringen. Taube Ohren Trotz des Drängens des IWF stießen die Forderungen bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und im politischen Berlin auf taube Ohren. Ebenfalls auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank entgegnete Scholz auf die Forderungen der Organisation: “Wir sind nicht in einem Abschwung.” Und Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Lagarde in Zukunft wohl öfter sehen wird, sekundierte: “Das Konjunkturbild ist nicht das eines dramatischen Abschwungs, der jetzt große Konjunkturpakete notwendig machen würde.”Aber der IWF wird nicht müde, den deutschen Staat zu weiteren Investitionen aufzufordern. Vor gut acht Wochen, bei der Vorlage des Berichts zu den Artikel-IV-Konsultationen mit Deutschland, forderte der Währungsfonds abermals, dass Deutschland seinen fiskalischen Spielraum nutzen solle.Zwar sei der kurzfristige Ausblick noch gut, aber das Wachstum könne zum Erliegen kommen, falls sich zur gegenwärtigen Abschwächung neue Schocks gesellten. Berlin wurde aufgefordert, die Aufrüstung der digitalen Infrastruktur und die Digitalisierung des Staatsapparats ebenso voranzutreiben wie Bürokratie für Unternehmen abzubauen. Auch merkte die IWF-Delegationsleiterin für Deutschland, Enrica Detragiache, an, dass die “schwarze Null” keine Fiskalregel, sondern eine politische Absprache sei. Ebenfalls auf der IWF-Forderungsliste an Deutschland steht eine Restrukturierung des hiesigen Banksektors zur Steigerung der Profitabilität und dem Abbau von Risiken. Gleichwohl nimmt Scholz die Nominierung von Lagarde gelassen. Das Ministerium verbinde mit der jetzigen IWF-Vorsitzenden eine “langjährige und konstruktive Zusammenarbeit”, sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums am Mittwoch. Ausgestaltung der EurozoneAufmerksam in Deutschland verfolgt wird auch Lagardes Meinung zur Ausgestaltung der Eurozone. Ganz oben auf ihrer “Wunschliste” stünden dabei weitere ambitionierte Schritte in der Bankenunion, ließ sie vor knapp drei Wochen wissen. Lagarde plädierte in diesem Zusammenhang auch noch einmal für ein gemeinsames Einlagensicherungssystem (Edis) – auch wenn weitere Risikosenkungen im Bankensektor im Blick bleiben müssten. “Die nächste EU-Kommission sollte sich bemühen, diese Bemühungen wiederzubeleben”, sagte Lagarde bei der Vorstellung eines neuen Artikel-IV-Statements des IWF für die Eurozone Mitte Juni.