Lagarde warnt vor Selbstzufriedenheit

IWF-Chefin appelliert an politische Entscheider - Fonds legt sich mit USA und Präsident Trump an

Lagarde warnt vor Selbstzufriedenheit

Die Finanzminister und Notenbankchefs der 189 IWF-Mitgliedsländer beraten in Washington die Lage der Weltwirtschaft. Der IWF warnt vor Risiken und Schwächen – und mahnt zum Handeln.ms Washington – IWF-Chefin Christine Lagarde hat zum Auftakt der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) die politischen Entscheider weltweit erneut ermahnt, angesichts der besseren Lage der Weltwirtschaft nicht in Selbstzufriedenheit zu verfallen. Der globale Aufschwung sei stärker und so breit angelegt wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr, sagte sie gestern in Washington. Er sei aber immer noch “unvollständig”. Jetzt sei Handeln nötig, um den positiven Trend zu verstetigen und vor allem alle an den Fortschritten teilhaben zu lassen. Mehr WachstumKurz vor der Tagung hatte der IWF seine Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft erneut leicht angehoben – auf 3,6 % im laufenden und 3,7 % im nächsten Jahr. Im vergangenen Jahr war die globale Wirtschaft nur um 3,2 % gewachsen. Am Wochenende beraten die Finanzminister und Notenbankchefs der 189 IWF-Mitgliedsländer in Washington die Lage der Weltwirtschaft.Lagarde betonte, dass die Erholung aktuell so breit angelegt sei wie seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 nicht mehr. 75 % der Länder weltweit befänden sich im Aufschwung. Dieser sei getragen von Investitionen, Konsum und Handel. In den Beratungen in Washington werde sie dennoch klarmachen, dass nicht die Zeit sei, die Hände in den Schoß zu legen. Es nähmen immer noch zu viele Länder nicht an der Erholung teil, und auch innerhalb vieler Länder partizipierten viele Menschen nicht: “Das Ergebnis sind vielerorts politische Spannungen und eine steigende Skepsis gegenüber den Vorteilen der Globalisierung.”Die Französin betonte, dass nach wie vor alle Politikbereiche gefordert seien, um den Aufschwung zu erhalten und zu stärken – also die Geld- und Fiskalpolitik wie auch Strukturreformen. Viele Strukturreformen würden einfacher, wenn es einen Aufschwung gebe.Lagarde hielt erneut ein eindringliches Plädoyer für den freien Welthandel und die internationale Wirtschaftskooperation – und legte sich damit indirekt auch mit den USA und Präsident Donald Trump an. Der freie Welthandel habe in den vergangenen Jahrzehnten zu Wachstum und Wohlstand geführt, sagte Lagarde gestern: “Wir müssen das sichern.” Bereits tags zuvor hatte sie betont, dass die Globalisierung dazu beigetragen habe, dass deutlich weniger Menschen in extremer Armut leben müssten. Sie hatte zudem auf eine Studie verwiesen, dass die ärmsten 10 % rund 63 % ihrer Kaufkraft verlieren würden, wenn alle Grenzen dichtgemacht würden. Dies lässt sich als klare Kritik an Trumps “Amerika zuerst!”-Politik interpretieren, die auf Einschränkungen beim freien Welthandel setzt. Lagarde betonte zudem, dass viele der aktuellen Herausforderungen nur durch grenzüberschreitende Kooperation zu bewältigen seien. Sie verwies auf den Kampf gegen Korruption, die globale Finanzregulierung, den Klimawandel oder den technologischen Fortschritt. Trump gilt als Gegner multinationaler Kooperation.Als große akute Herausforderung gelten vielen Entscheidern mögliche neue Blasen und Exzesse an den Finanzmärkten. Zuletzt hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor neuen Blasen infolge der steigenden Verschuldung und der Liquiditätsschwemme der Zentralbanken gewarnt. Am Mittwoch hatte auch der IWF in seinem Finanzstabilitätsbericht erklärt, dass das Finanzsystem aktuell zwar robuster geworden sei, dass sich aber Risiken aufbauten. “Wir sind besorgt”, sagte Lagarde gestern bei einer Paneldiskussion.Lagarde rief Großbritannien auf, für mehr Klarheit über die Pläne zum EU-Austritt zu sorgen. Die Art und Weise des Brexit betreffe sehr viele Menschen und Unternehmen, sagte sie: “Es sollte schnell Klarheit geben über den Zeitplan und Klarheit über die Fundamente.”