Sintra-Konferenz

Lagarde warnt vor Überreaktion

Bei der zweitägigen Sintra-Konferenz der EZB geht es um die Geldpolitik nach der Pandemie. Zum Auftakt interessiert aber vor allem, was EZB-Präsidentin Christine Lagarde zum kurzfristigen Kurs sagt.

Lagarde warnt vor Überreaktion

ms Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat vor einer geldpolitischen Überreaktion auf den starken Inflationsanstieg gewarnt. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfe auf vorübergehende Angebotsschocks „nicht überreagieren“ und müsse „ge­duldig“ bleiben, um die Inflation dau­erhaft in Richtung des EZB-Ziels von 2% zu bekommen, sagte Lagarde am Dienstag zum Auftakt der zweitägigen Sintra-Konferenz der EZB, die dieses Jahr erneut nur online stattfindet. In dem Kontext verwies sie darauf, dass die EZB auch nach ei­nem möglichen Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP die Wirtschaft unterstützen werde – mittels des Zinsausblicks (Forward Guidance) und des Anleihekaufprogramms APP.

Lagarde hebt EZB von Fed ab

Mit ihren Aussagen bei dieser für die EZB zentralen Gelegenheit untermauert Lagarde, dass die EZB auf absehbare Zeit keine deutliche Abkehr weg vom ultralockeren Kurs der Coronakrise in Angriff nehmen wird – trotz der unerwartet stark anziehenden Inflation. Im Gegensatz dazu steuert etwa die US-Notenbank auf eine Drosselung ihrer billionenschweren Anleihekäufe schon in diesem Jahr zu. 2022 könnte die Fed ihren Leitzins erstmals wieder anheben. Die Bank of England liebäugelt damit schon für 2021. Die norwegische Zentralbank hatte vergangene Woche als erste Notenbank eines Industrielandes ihren Zins erhöht.

Hintergrund für die weltweit zunehmende geldpolitische Wende ist neben der wirtschaftlichen Erholung der Inflationsanstieg, der seit Jahresbeginn viel stärker ausgefallen ist als erwartet. Auch im Euroraum ist die Teuerung im August auf 3,0% geklettert und damit deutlich über das EZB-Ziel. Für die nächsten Monate zeichnet sich ein weiterer Anstieg ab. Das hat insbesondere in Deutschland Sorgen geschürt und die Kritik an der EZB wieder lauter werden lassen. Die CSU forderte unlängst eine „Inflationsbremse“ für die EZB.

Lagarde betonte nun erneut, dass der aktuelle Inflationstrend aus Sicht der Notenbank vor allem pandemiebedingt und folglich vorübergehend sei. „Sobald diese pandemiebedingten Auswirkungen vorbei sind, erwarten wir einen Rückgang der Inflation.“ Das gelte trotz der anhaltenden Lieferengpässe, des aktuellen Ölpreisanstiegs und der zuletzt stark anziehenden Gaspreise. Auf Dauer gehe es eher darum, die Inflation in Richtung der 2% zu erhöhen.

„Die größte He­rausforderung besteht darin sicherzustellen, dass wir nicht auf vorübergehende Angebotsschocks überreagieren, die mittelfristig keine Auswirkungen haben, und gleichzeitig die positiven Nachfragekräfte fördern, die die Inflation dauerhaft in Richtung unseres Inflationsziels von 2% anheben könnten“, sagte Lagarde. Sie hob dabei auch die neue EZB-Strategie hervor, die es erlaube, mit Blick auf eine geldpolitische Straffung „geduldig“ zu sein, bis klar sei, dass das Inflationsziel nachhaltig erreicht sei. Zuletzt hatten sich aber auch einige Hardliner im EZB-Rat besorgter über die Inflation gezeigt und zumindest ein rasches Ende von PEPP befürwortet.

Lagarde wiederholte zudem, dass sich die Euro-Wirtschaft zwar erhole, dass sie aber „noch nicht über den Berg“ sei. Vor dem Hintergrund sagte sie zudem, dass die EZB auch nach einem möglichen Ende von PEPP die Wirtschaft weiter stützen werde. Dabei verwies sie auch auf das APP-Programm. Das dürfte Erwartungen schüren, dass die EZB das APP aufstockt, falls sie im März 2022 das 1,85 Bill. Euro umfassende PEPP auslaufen lässt. Derzeit kauft das Eurosystem im Zuge des APP für monatlich 20 Mrd. Euro Wertpapiere.

Mit Blick auf die längerfristige Inflationsentwicklung nach der Pandemie sagte Lagarde, dass es Faktoren gebe, die für eine höhere Teuerung sprechen, und solche, die für eine niedrige Teuerung sprechen. So könne etwa die Digitalisierung eine zweite Globalisierungswelle auslösen, die die Preise drücke. Andererseits könne es zu steigenden Preisen führen, wenn Unternehmen ihre Lieferketten diversifizieren oder einen Teil ihrer Produktion ins Inland verlagern. Laut Lagarde sei deshalb eines entscheidend: „Die Geldpolitik muss sich weiter darauf konzentrieren, die Wirtschaft sicher aus dem Pandemienotstand zu führen und die Inflation nachhaltig in Richtung unseres 2-Prozent-Ziels anzuheben.“

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