IM INTERVIEW: MICHAEL HEISE

Langzeitarbeitslosigkeit ist großes Problem

Der Chefvolkswirt der Allianz zum Fachkräftemangel und den Perspektiven des deutschen Arbeitsmarktes

Langzeitarbeitslosigkeit ist großes Problem

Die Lage am deutschen Arbeitsmarkt zeigt sich ungeachtet aller geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten weiterhin ausgesprochen robust. Allerdings bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit eines der großen Probleme und auch der Fachkräftemangel weitet sich zusehends aus. Eine Trendwende ist so schnell noch nicht zu befürchten. – Herr Heise, der Jobmarkt zeigt sich anhaltend robust und eilt von Rekord zu Rekord: Die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung, Erwerbstätigkeit und Beschäftigung legen weiter zu, die Unterbeschäftigung geht zurück und die Arbeitskräftenachfrage bleibt hoch. Wenn man nun unbedingt einen Makel finden wollte, welcher wäre das?Die Langzeitarbeitslosigkeit ist nach wie vor eines der größten Probleme des deutschen Arbeitsmarktes. Bei einer insgesamt eher geringen Zahl an Arbeitslosen ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter ihnen sehr hoch. Einer Studie der Industrieländerorganisation OECD zufolge waren im Jahr 2016 mehr als 43 % aller Arbeitslosen länger als zwölf Monate ohne Arbeit. Im Vergleich mit anderen OECD-Ländern belegt Deutschland damit weiterhin einen der hinteren Ränge.- In Sachen Langzeitarbeitslosigkeit geht es kaum oder nur langsam voran – woran liegt das?Der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit erweist sich nicht zuletzt deswegen als schwierig, da es sich bei den betroffenen Personen recht häufig um Personen mit Qualifikationsdefiziten, um Ältere oder um Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen handelt. Wenn mehrere dieser Merkmale zusammen treffen, wird es besonders schwierig, passende Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden.- Kann das Konzept eines sozialen Arbeitsmarktes, also staatlich geförderter Jobs für Langzeitarbeitslose, funktionieren?Meines Erachtens schon. Es ist immer noch besser Arbeit etwa im kommunalen Bereich zu fördern, als langfristige Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Über die Aussichten der Betroffenen in den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren, darf man sich allerdings keine Illusionen machen.- Wann erwarten Sie eine Trendwende am Arbeitsmarkt?Eine Trendwende ist bislang nicht absehbar, lediglich eine Verlangsamung auf Grund zunehmender Engpässe und einer Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik. Die nächste Rezession könnte aber 2020 mit einem Abschwung in der US-Wirtschaft kommen. Dann wäre auch der erfreuliche Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt vorbei.- Erwarten Sie, dass der sich zuspitzende Handelskonflikt zwischen den USA und anderen Industrienationen, der gemeinhin als größtes Risiko für die Konjunktur gilt, auf absehbare Zeit Auswirkungen auf den deutschen Jobmarkt hat?Ja, im Automobilbau und allen verbundenen Branchen hat die Verunsicherung über höhere Zölle neben anderen Faktoren schon jetzt ein Ende des Booms und in manchen Unternehmen Pläne zum Beschäftigungsabbau herbeigeführt. Bei einer deutlichen Eskalation des Handelskonflikts zwischen China und den USA würden die beiden wichtigsten Absatzmärkte für die deutsche Wirtschaft Schaden nehmen. Es wäre vor allem in der Industrie mit spürbaren Beschäftigungsverlusten zu rechnen.- Ist der Fachkräftemangel bereits ein generelles Problem oder zeigt er sich tatsächlich nur in einigen wenigen Branchen?Der Fachkräftemangel weitet sich auf immer mehr Regionen und Branchen aus. Laut dem IW entfielen im vergangenen Jahr mehr als 70 % aller ausgeschriebenen Stellen auf sogenannte Engpassberufe wie beispielsweise Mechatronik, Bauelektrik und Altenpflege. Gerade in Süddeutschland, wo annähernd Vollbeschäftigung herrscht, gewinnt der Fachkräftemangel zunehmend an Intensität.- Ein Eckpunktepapier zur Fachkräfte-Einwanderung steht mittlerweile, ein konkreter Gesetzentwurf fehlt aber noch. Wie müsste ein entsprechendes Gesetz Ihrer Ansicht nach ausgestaltet sein, um den Fachkräftemangel wirksam bekämpfen zu können?Grundsätzlich erscheint das Eckpunktepapier zielführend. Wie das Einwanderungsgesetz letztendlich ausgestaltet wird, ist Sache der Gesetzgebung. Erfolgreiche Einwanderungsmodelle wie beispielsweise das kanadische können aber sicherlich eine Orientierung geben.- Wie steht es bei der Integration geflüchteter Menschen – genügen die vorliegenden Konzepte, gibt es hier ausreichend Fortschritte und könnte darin ein Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels liegen?Die Arbeitslosigkeit bei der Integration geflüchteter Menschen hat sich bislang besser entwickelt, als frühere Erfahrungen das hätten erwarten lassen. Allerdings müssen die Anstrengungen zur Sprachförderung und Qualifizierung auf hohem Niveau beibehalten werden. Ein Teil der Asylbewerber wird dazu beitragen, die Fachkräfteknappheit zu mindern, aber angesichts eines vielfach recht niedrigen Qualifikationsniveaus wird es insgesamt wohl ein kleiner Beitrag bleiben. Wichtig ist vor allem das Aufenthaltsrecht der Antragsteller rasch zu klären, damit die Unternehmen wissen, ob sie in die Ausbildung dieser Arbeitskräfte investieren können.- Zur Einführung wurde der Mindestlohn vehement abgelehnt, da ein Anstieg der Arbeitslosigkeit befürchtet wurde, mittlerweile ist es recht still um ihn geworden. Was für Effekte hatte die Einführung tatsächlich und haben sich die damit verbundenen Hoffnungen erfüllt?Die positive Entwicklung der Arbeitslosigkeit kann allein nicht als Beleg dafür genommen werden, dass der Mindestlohn keine Auswirkungen hatte. Betrachtet man die Entwicklung nach Branchen und Regionen, die vom Mindestlohn besonders betroffen waren, wird doch deutlich, dass er die Beschäftigung zumindest abgebremst hat. Allerdings muss man einräumen, dass die Beschäftigungseffekte weitaus geringer waren, als von vielen im Vorfeld befürchtet worden war.—-Die Fragen stellte Alexandra Baude.