Bundeskabinett

Lindner will kalte Progression voll ausgleichen

Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Inflationsgewinne des Staates bei der Einkommensteuer der Steuerzahlern voll zurückgeben. Die Grünen und die Bundesländer haben Vorbehalte.

Lindner will kalte Progression voll ausgleichen

wf Berlin

Bundesfinanzminister Christiane Lindner (FDP) will zusätzliche Steuereinnahmen aus der kalten Progression den Steuerzahlern voll zurückgeben. Die Entlastung in den beiden nächsten Jahren summiert sich auf 45,1 Mrd. Euro. „Der Staat darf nicht zum Gewinner der Inflation werden“, sagte Lindner nach der Kabinettssitzung vor der Presse. „Wir verhindern eine ansonsten sich ereignende heimliche Steuererhöhung durch Unterlassung.“ Aus der Ampel wurde Widerstand laut. Auch die Bundesländer zeigten sich zurückhaltend zu den Plänen. Bund und Ländern stehen jeweils 42,5% von den Einnahmen der Lohn- und Einkommensteuer zu, den Gemeinden 15%. Die Steuer zahlen Bürger sowie kleinere und mittlere Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft.

Das Bundeskabinett hatte zuvor in Berlin den Progressionsbericht und den Existenzminimumsbericht verabschiedet. Diese Berichte muss die Bundesregierung alle zwei Jahre für das Parlament erstellen. Darin wird die Höhe des Existenzminimums berechnet, das steuerfrei bleiben muss. Zudem wird die kalte Progression ermittelt. Diese „heimliche Steuererhöhung“ entsteht, wenn Steuerpflichtige durch Lohnerhöhungen zum Inflationsausgleich in höhere Progressionsstufen der Lohn- und Einkommensteuer rutschen.

Das Bundeskabinett wird Lindner zufolge nun eine Formulierungshilfe für die Regierungsfraktionen erarbeiten. Die Anpassung sollen die Abgeordneten im bereits laufenden Verfahren des Inflationsausgleichsgesetzes übernehmen. Herr des Verfahrens ist jetzt der Bundestag. Aus der Grünen-Fraktion wurden Vorbehalte laut. Es stelle sich „die Frage nach der richtigen Prioritätensetzung in der aktuell sehr belastenden Krisenzeit“, sagte die finanzpolitische Sprecherin Katharina Beck. „Nichts zu tun“ würde Lindner zufolge bedeuten, dass die Menschen 2023 rund 15,8 Mrd. Euro und 2024 rund 29,3 Mrd. Euro mehr Steuern zahlen würden. Der Entwurf des Inflationsausgleichsgesetzes hatte deutlich niedrigere Inflationserwartungen als die nun aktualisierte Prognose unterstellt. Dem Entwurf zufolge ging es für 2023 um ein Steueraufkommen von nur 12,2 Mrd. Euro und für 2024 um 18,0 Mrd. Euro.

Hoffen auf Reserven

Die Bundesländer stehen mit Blick auf zusätzliche Belastungen auf der Bremse. „Das ist noch zu diskutieren“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, zu der Frage, ob die Länder den nun höheren Ausfall an Steuern mittragen werden. Bund und Länder hatten sich am Nachmittag in Berlin auf die Aufteilung der Finanzlasten zur Milderung der hohen Energiepreise verständigt. Die Länder müssen Weil zufolge mehr schultern als kalkuliert. „Wenn dann noch Geld da ist, würde es mich freuen“, sagte der SPD-Politiker.

Das Bundeskabinett hatte am Vormittag die Soforthilfe für Gas- und Fernwärmekunden in Höhe einer Monatsabschlagzahlung beschlossen. In einem zweiten Schritt will das Kabinett die Gas- und Strompreisbremse am 18. November verabschieden. Die Mittel stammen aus dem 200 Mrd. Euro schweren, kreditfinanzierten Abwehrschirm. Dabei ziehen die Länder nun mit. Geeinigt haben sich Bund und Länder auf das 49-Euro-Ticket spätestens ab Januar 2023. Der Bund stellt die angebotenen 1,5 Mrd. Mrd. Euro bereit und erhöht die Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr um 1 Mrd. Euro. Weniger als gefordert konnten die Länder bei der Finanzierung des Wohngelds erreichen. Offen blieb, ob der Härtefallfonds von 12 Mrd. Euro von den Ländern mitfinanziert wird. Bund und Länder beraten weiter.

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