Lindner wirbt in New York für den Finanzplatz Deutschland
Lindner wirbt in New York für deutschen Finanzplatz
Von Angela Wefers, New York
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verweist auf Reformen für den Kapitalmarkt und verspricht noch mehr.
Frühere Finanzminister wie Olaf Scholz (SPD) oder Wolfgang Schäuble (CDU) haben mit dem Finanzmarkt gefremdelt. Der Amtsinhaber geht nun in die Offensive: Christian Lindner (FDP) traf in New York deutsche und amerikanische Unternehmer sowie Finanzmarktakteure, um über die Vorzüge des deutschen Marktes, jüngere Initiativen und Gesetzesentwicklungen zu berichten.
Für die „City“ ist ein enger Draht nach New York obligatorisch. Lindners britische Amtskollegin, Rachel Reeves, kam Anfang Juli auf den Posten und war schon vier Wochen später in New York. In Frankreich schaltet sich der Staatspräsident höchstpersönlich ein, wenn es um Impulse für den Finanzplatz Paris geht. Emmanuel Macron hatte dies etwa beim Brexit getan oder mit der jüngeren Tibi-Initiative Kapitalsammelstellen in die Pflicht genommen, Venture Capital bereitzustellen. Deutschland dagegen hat mit seiner weit verbreiteten Kapitalmarktskepsis – gerade zu besichtigen bei der Reform der Altersvorsorge – deutlichen Nachholbedarf und kann politische Hilfe gut vertragen.
Das American Council on Germany wählte den ehrwürdigen University Club in New York für Lindners Auftritt – gegründet 1865 und der Symbiose aus sozialer Verantwortung sowie intellektuellem Leben verpflichtet. Holzgetäfelte Wände, schwere Kronleuchter, marmorne Säulen und weiche Teppiche erfüllen die Räume. Draußen hellster Sonnenschein, innen braucht es künstliches Licht. Seinen Londoner Vorbildern in puncto Krawattenzwang und Denim-Embargo steht der vornehme Gesellschaftsclub in nichts nach.
Fiskalpolitik als Krisenanker
Lindner sprach dort über die transatlantische Partnerschaft. Die Partner interessierte, wie Deutschlands Wirtschaft wieder an Schwung gewinnen kann. Verschiedene dort bewegte zudem, ob Berlin seinen finanziellen Verpflichtungen in der Nato nachkommen wird. Sicherheitspolitische Fragen stehen für den FDP-Parteichef im direkten Zusammenhang mit hoher Wirtschaftskraft. „Unsere geopolitische Stärke ist eng verbunden mit ökonomischem Erfolg“, betonte er. Auch fiskalische Resilienz sei ein wichtiger Teil eines Sicherheitspakets.
Die trüben Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) im World Economic Outlook wertete Lindner als „weitere Ermunterung und Aufforderung an Deutschland“, seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. „Wir haben gegenwärtig nicht den wirtschaftlichen Erfolg, den unser Land braucht“, sagte er später am Tag, als die IWF-Zahlen veröffentlicht waren. „Ich möchte, dass die Deutschen wieder stolz sein können auf ihr Land, weil es ökonomisch erfolgreich ist.“ Dafür müsse die Bundesregierung „offensichtlich ihr eigenes Ambitionsniveau“ bei den Reformen, also bei der für diesen Herbst anvisierten Wachstumsinitiative, erhöhen.
Diese Feststellung ging an die Adresse der Koalitionspartner, vor allem an die Grünen. Denn vor den transatlantischen Partnern ließ Lindner keinen Zweifel daran, wie er sich den Weg zu einer verbesserten Wirtschaftskraft vorstellt. Der eine Weg sei es, Subventionen zu zahlen, mit der Folge eines hohen Staatsdefizits, sagte er – noch bevor die Vorschläge seines Kabinettskollegen Robert Habeck (Grüne) bekannt geworden waren. Habeck will auf die Konjunkturflaute mit einem „Deutschlandfonds“ antworten, der 10% der Investitionskosten als staatliche Prämie finanziert. Sein Weg sei es, über Strukturreformen die Angebotsbedingungen zu verbessern und so die Wirtschaft zu beflügeln, machte der Finanzminister deutlich. „Wir können es uns nicht leisten, Steuergelder für Subventionen auszugeben, um die Transformation zu finanzieren.“
Win-win in New York
„Win-win“ für Deutschland und die USA lautet das Zauberwort im Titel des Minister-Auftritts in New York. Nicht zufällig klingt darin die September in Berlin unterzeichnet WIN-Initiative an. Deutsche Kapitalsammelstellen und Finanzinstitute haben, unterstützt von mehreren Wirtschaftsverbänden, auf Lindners Initiative hin versprochen, 12 Mrd. Euro Venture Capital bis 2030 für Start-ups und Scale-ups bereitzustellen. Dies soll nur ein erster Schritt sein, unterstrich der Minister in New York. Inspiriert war sein Projekt von der französischen Tibi-Initiative. Das nun in Berlin demonstrierte Vertrauen etablierter Branchen in Deutschland, in innovative heimische Unternehmen zu investieren, verfängt auch in den USA.
Die Bundesregierung flankiert die WIN-Initiative mit dem Abbau von Hemmnissen, die den Start-up-Markt in Deutschland bremsen. Damit konnte sie die Selbstverpflichtung der Investoren gewinnen. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll deshalb jetzt die zweite Auflage einer Kapitalmarktreform folgen, um die Rahmenbedingungen für Börsengänge, Wachstumsunternehmen, aber auch für die Geldanlage von Bürgern zu erleichtern. Es tut sich etwas in Deutschland, lautet die Botschaft, Lindners. Und es muss nicht einmal Geld kosten: „Man kann bessere Wirtschaftspolitik machen, ohne einen einzigen Euro Steuerzahlergeld auszugeben.“