Wifo-Direktor Felbermayr

„Lissabon-Strategie war reine Träumerei“

Die EU verliert sich im Mikromanagement und gefährdet dadurch die Wettbewerbsfähigkeit Europas, beklagt Gabriel Felbermayr, Direktor des Wiener Wirtschaftsforschungsinstituts, im Interview. Nötig seien jetzt dagegen paneuropäische Investitionen.

„Lissabon-Strategie war reine Träumerei“

„Der Binnenmarkt
ist Europas Trumpf“

Ökonom Felbermayr fordert Konzentration auf paneuropäische Investitionen

lz Frankfurt

Brüssel verzettelt sich zusehends im Mikromanagement und droht damit Europas geopolitische Rolle zu untergraben, warnt der Direktor des Wiener Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) Gabriel Felbermayr im Interview der Börsen-Zeitung. Er hält eine klarere Aufgabenverteilung in Europa für zwingend, wie eigentlich in den EU-Verträgen niedergelegt: Brüssel für die Rahmengesetzgebung und paneuropäischen Aufgaben, die Mitgliedstaaten für jene Tätigkeiten, die sie subsidiär wahrnehmen können und müssten. Allerdings sei hierbei auch unter den EU-Staaten offenbar keine Einigkeit vorhanden, weshalb die EU thematisch und strategisch nicht vorankomme.

Felbermayr hält die geoökonomische Lage der EU mit Verweis auf den Draghi-Report zur Wettbewerbsfähigkeit für gefährlich, weil die Region immer weiter zurückfalle. Mit dem Binnenmarkt hätte sie zwar ein Instrument, um durch seine schiere Größe („size matters!“) schnellere Skalierungen von Märkten und Unternehmen sowie mehr technologischen Fortschritt verwirklichen zu können, doch stocke die Entwicklung. Felbermayr: „Der Binnenmarkt ist unser wichtigster geoökonomischer Trumpf, aber er ist noch unvollendet.“ Dieser stelle eigentlich den Wachstumsmotor dar, den die EU brauche.

Hohe interne Handelshürden

Auf seiner Jahrestagung in Washington hatte kürzlich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) darauf hingewiesen, dass es nach wie vor erhebliche Handelsbarrieren innerhalb der EU gebe. Diese resultieren unter anderem aus nationalem Protektionismus, vor allem in den Bereichen Energie, Telekommunikation und Finanzdienstleistungen. Die so bestehenden Handelshürden wirken sich laut IWF-Berechnungen so aus wie ein fiktiver Zollsatz in Höhe von durchschnittlich 44% für den Handel mit Industriegütern innerhalb der EU. In den USA betrage dieser fiktive Zollsatz zwischen den US-Staaten nur 15%.

Felbermayr fordert, den Binnenmarkt schnellstmöglich zu vollenden und auszubauen in Richtung Kapitalmarkt- und Energiemarktunion. Die EU dürfe nicht weiter den „Träumereien der Lissabon-Strategie“ nachhängen, mit der sie die Region schon vor zehn Jahren zur wettbewerbsfähigsten der Welt machen wollte. Das sei an Bürokratie und Mikromanagement gescheitert. „Europas ökonomische Lage ist ernst, die rosa Brille muss weg“, sagt er. Die EU müsse auf bessere Regulierung mit mehr Markt setzen. Es gehe zudem darum, sich auf paneuropäische Investitionen in die Infrastruktur etwa bei Schiene, Energie und Technologie zu konzentrieren. Hierfür räumt Felbermayr der EU-Kommission auch ein Mandat zur Schuldenaufnahme ein, um sich Finanzmittel zu beschaffen.

Das vollständige Interview gibt es hier.

Im Interview Seite 7

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