Machtbalance offen
Noch diese Woche werden die Koalitionsverhandlungen über eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP starten. Dann geht es inhaltlich ans Eingemachte. Einfach wird das nicht – darüber sind sich die Beteiligten im Klaren. Die feste Absicht, dem Bündnis zum Gelingen zu verhelfen, hat auch den Wagemut wieder etwas gedämpft, sich öffentlich in Position für das Bundesfinanzministerium zu bringen. Sowohl FDP-Chef Christian Lindner, der noch nie ein Ministerium geführt hat, als auch Grünen-Co-Chef Robert Habeck, der administrative Erfahrung als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein mitbringt, sind interessiert. Beide spielten ihren Wunsch über Bande in die Öffentlichkeit. Klar ist, die Frage ist intern ungelöst. Lindner machte – nach eigener Aussage versehentlich – publik, dass mit einem neuen Klimaministerium ein politisches Kraftzentrum für die Grünen entsteht. Dies bedeutet: Die FDP braucht auch ein Schwergewicht. Nun schaltete der Chef der Liberalen aus taktischen Gründen zart in den Rückwärtsgang.
Weder wird das Bundesfinanzministerium in der neuen Regierung nach Erfahrung vergeben, noch ist das Thema vom Tisch. Auch wenn erst Inhalte geklärt und dann Posten vergeben werden, ist für die künftige Machtbalance entscheidend, wer welche Ressorts innehat und wie viele. Dabei hilft es, das Wahlergebnis in Posten umzurechnen. Bleibt es bei 14 Ressorts plus Kanzleramt, kommt die SPD auf 7,4 Posten einschließlich Kanzler, die Grünen auf 4,3 und die FDP auf 3,3 Minister. Die wahrscheinlichste Variante unter dieser Prämisse ist, dass die SPD den Kanzler und sieben Ressortchefs stellt, die Grünen vier und die Liberalen drei Ministerposten besetzen.
Die Rechnung stimmt dann nicht mehr, wenn ein neues (Klima-)Ministerium als Nummer 16 gegründet würde. Dazu dürfte es in der Ampel, die immerhin Bürokratie abbauen will, nicht kommen. Eher dürften Abteilungen aus Ministerien neu geordnet werden. Das Umweltministerium könnte Bau aus dem Innenressort und Energie aus dem Wirtschaftsministerium bekommen – vor allem aber die Federführung in Klimafragen. Aktuell berät es oft nur mit.
Wer auf dem Geld sitzt, hat viel Macht. Der Finanzminister hat es auch in der Hand, Steuerreformen zu starten oder zu verhindern. Olaf Scholz (SPD) hat das vorgemacht. Will die neue Regierung sich nicht nur schnell bilden, sondern auch schnell arbeiten, dann stünden ihr große Reorganisationen im Weg. Administrativer Umbau birgt immer hohen Reibungsverlust in puncto Arbeitsfähigkeit.