Macron ernennt Bildungsminister Attal als Regierungschef
Attal wird Frankreichs Regierungschef
Der bisherige Bildungsminister galt als Favorit – Kritik von Lehrergewerkschaften an seinem Wechsel
Der neue Premierminister muss nach einem Besuch in Hochwassergebieten eine Regierung ganz im Zeichen der von Präsident Macron versprochenen „industriellen, wirtschaftlichen und europäischen Wiederaufrüstung“ bilden. Neben Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik steht die Bildungspolitik im Fokus.
wü Paris
Nach dem Rücktritt von Premierministerin Élisabeth Borne hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den bisherigen Bildungsminister Gabriel Attal Dienstag zum neuen Regierungschef ernannt. Der am 16. März 1989 im Pariser Vorort Clamart geborene Sohn des Regisseurs Yves Attal gilt als Vertrauter des Staatsoberhauptes. Dass der jüngste Präsident der V. Republik ihn zum jüngsten Premierminister Frankreichs ernannt habe, sei ein Symbol des Mutes und des Vertrauens in die Jugend, „für die es sich stets zu kämpfen lohnt“, erklärte Attal während der Amtsübergabe.
Eine seiner ersten Aufgaben ist nun die Bildung einer neuen Regierung im Zeichen der von Macron in seiner Neujahrsansprache versprochenen „industriellen, wirtschaftlichen, europäischen Wiederaufrüstung“. Wann das neue Kabinett vorgestellt werden soll, war zunächst unklar. Als erste Amtshandlung reiste der frühere Regierungssprecher und Budgetstaatssekretär in das von Überschwemmungen stark betroffene Département Pas-de-Calais in Nordfrankreich. Er kündigte an, noch diese Woche die Zivilkräfte des Landes treffen zu wollen.
Während der Amtsübergabe versprach Attal, das soziale Modell Frankreichs bewahren und den öffentlichen Dienst, die Schulen und das Gesundheitswesen stärken zu wollen. Frankreichs neuer Regierungschef will aber auch dafür sorgen, dass Frankreichs Potenzial freigesetzt wird und das Land die Kontrolle über sein Schicksal behält. Er werde das Anliegen der Schulen mit von seinem bisherigen Posten nehmen, gelobte er zudem.
Fokus auf Arbeitsmarktpolitik
Deshalb wurde in Paris spekuliert, Attal könne als Regierungschef weiter Bildungsminister bleiben. Theoretisch ist das möglich. So war Raymond Barre 1976 bis 1978 gleichzeitig Regierungschef und Wirtschaftsminister. Kurz nach der Berufung Attals zum neuen Premierminister hatten Lehrergewerkschaften bemängelt, dass seine Arbeit als Bildungsminister einem Blitzbesuch gleiche, da er gerade mal sechs Monate im Amt war. Wegen des brutalen Wechsels mitten während des Schuljahres müssten sie nun wieder ganz von vorn anfangen, kritisierten sie.
Wirtschaftspolitisch will Attal einen Fokus auf die Arbeit legen. „Arbeiten muss sich immer mehr lohnen, als nicht zu arbeiten“, erklärte der neue Premier, der während seiner politischen Karriere unter Präsident François Hollande 2012 im Gesundheitsministerium begonnen hat. Er will auch dafür sorgen, dass sich die Wirtschaft besser entfalten kann. Deshalb will er das Leben von Unternehmen und Unternehmern weiter vereinfachen.
Ob Bruno Le Maire ihm dabei als Wirtschafts- und Finanzminister helfen wird, muss sich noch zeigen. Le Maire, aber auch Innenminister Gérald Darmanin und Ex-Premierminister Édouard Philippe hätten versucht, die Berufung Attals als Regierungschef zu verhindern, heißt es in Paris. Deshalb sei die Ernennung nicht sofort nach dem Rücktritt Bornes erfolgt.
Gerald Darmanin und Le Maire hätten gefordert, nicht Attal unterstellt zu werden. Beide dementierten die Gerüchte und gratulierten Attal. Sie waren ebenfalls als mögliche Nachfolger von Premierministerin Borne gehandelt worden. Diese sprach Attal ihr Vertrauen aus und ermunterte Frauen, sich weiter für die Gleichberechtigung einzusetzen, da es in dem Bereich noch einiges zu tun gebe.
Borne war nach Édith Cresson die zweite Premierministerin. Attal ist der erste französische Regierungschef, der offen zu seiner Homosexualität steht. Während Mitglieder der Regierungspartei Renaissance seine Berufung begrüßten, hagelte es aus dem links- und rechtsextremen Lager Kritik. Von dem neuen Premier und seiner Regierung sei nichts zu erwarten, pestete Marine Le Pen. Die Franzosen hätten die Nase voll vom kindischen Ballett der Ambitionen und Egos. Attal werde wieder Sprecher – Macrons, meinte Jean-Luc Mélenchon.