Italien

Mario Draghi offenbar vor dem Aus

Italiens politische Rechte weigert sich, Premierminister Mario Draghi das Vertrauen auszusprechen. Nun ist völlig unklar, wie es weitergeht.

Mario Draghi offenbar vor dem Aus

bl Mailand

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi steht offenbar vor dem Ende. Er zeigte sich bereit für eine Fortsetzung einer Regierung unter seiner Leitung. Doch die politische Rechte um die Lega und Berlusconis Forza Italia sowie die 5-Sterne-Bewegung weigerten sich, ihm das Vertrauen auszusprechen. Damit hatte er keine Mehrheit. Sein Rücktritt wurde unmittelbar erwartet, stand aber zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Zuvor hatte Draghi vor dem Senat um „einen neuen Vertrauenspakt“, geworben, der von einer breiten Mehrheit der Parteien getragen werden müsse. „Vertrauen für die Fassade“ sei nicht ausreichend, sagte Draghi in seiner Rede.

Draghi appellierte fast flehentlich und sehr eindringlich an die Parteien: „Seid ihr bereit, einen neuen Vertrauenspakt zu bilden?“, fragte er mehrmals. Er verwies darauf, dass er nur regieren könne, wenn er die volle Unterstützung des Parlaments habe. Lega und Forza Italia forderten jedoch als Preis für ihre Zustimmung die Ablösung mehrerer Minister und den Ausschluss der 5-Sterne-Bewegung aus der Regierung.

Draghi steht seit Februar 2021 an der Spitze einer von einer sehr breiten Mehrheit unterstützten technischen Regierung. Er hatte am Donnerstag, 14. Juli, seinen Rücktritt eingereicht, nachdem er zwar eine Vertrauensabstimmung über ein neues Hilfspaket für Haushalte und Unternehmen gewonnen, aber die Unterstützung der 5-Sterne-Bewegung verloren hatte. Staatspräsident Sergio Mattarella lehnte den Rücktritt ab und bat Draghi, vor den beiden Kammern des Parlaments zu referieren. Draghi wies auf die Erfolge seiner Regierungszeit hin. Er nannte dabei die Bekämpfung der Corona-Pandemie sowie eine Vielzahl von Reformen im Rahmen des Europäischen Wiederaufbauprogramms. Draghi kritisierte die Blockade von Reformen wie der Katasterreform, der Liberalisierung von Märkten, den Widerstand gegen Ukraine-Hilfen und Forderungen nach neuen, schuldenfinanzierten Programmen.

Er verwies auf die Appelle der Bürgergesellschaft, der Wirtschaft und von mehr als 2000 Bürgermeistern, die ihn zum Weitermachen aufgefordert haben. Voraussetzung sei die volle Unterstützung der Parteien – bei der Umsetzung der weiteren Reformen im Rahmen des Europäischen Wiederaufbauprogramms, bei der Liberalisierung des Wettbewerbsrechts, der Justizreform und einer Steuerreform vor allem zugunsten von Niedrigverdienern. Draghi sprach sich für weitere Hilfen aus, ohne das Defizit von 150 % zu erhöhen. Er unterstützt die Einführung eines Mindestlohns, eine Rentenreform und die Verbesserung der sozialen Mindestsicherung.

Beobachter wie der renommierte Ökonom Carlo Cottarelli hatten sich zuvor optimistisch gezeigt, dass Draghi weitermacht. „Mit der Unterstützung einer großen Mehrheit wäre es für ihn schwierig, nicht im Amt zu bleiben. Priorität muss alles haben, was Teil des Europäischen Wiederaufbauprogramms ist“, sagte er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Cottarelli glaubt, dass es möglich wäre, im Herbst einen Haushalt zu verabschieden, ohne höhere Schulden zu machen. „Das Defizit von 5,6% in diesem Jahr wird sich nicht ändern und wahrscheinlich auch nicht 2023, sofern keine Rezession eintritt. Und das Verhältnis der Staatsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im Vergleich zu den Prognosen sinken, weil die Inflation das BIP nach oben treibt.“ Cottarelli sagt, die Regierung Draghi habe sich bisher „im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut geschlagen. Im Großen und Ganzen hat sie das Notwendige getan, auch wenn die Hilfen besser auf die sozial Bedürftigen hätten ausgerichtet werden können.“

Sollte Draghi seine Regierung nicht fortsetzen können, drohen vorgezogene Neuwahlen und Verzögerungen beim Haushalt und bei der Umsetzung des Reformprogramms. „Entscheidend wird dann die Reaktion der Finanzmärkte sein, auch im Zusammenhang mit dem von der EZB geplanten Schutzschirm für Italien“, so Cottarelli. Der Spread zwischen deutschen und italienischen 10-Jahres-Anleihen stieg auf 215 Basispunkte, die Börse Mailand schloss mit einem Minus von 1,6%.

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