Demografie und Sozialkassen

Massiv steigende Sozialbeiträge ersticken das Wirtschaftswachstum

Die Sozialbeiträge steigen in allen Bereichen und bedrohen das Wachstumspotenzial Deutschlands. Der Krankenversicherung dürften die Pflege- und Rentenversicherung bald folgen. Denn die Ampelregierung verschlimmert die Situation sogar noch – durch nur scheinbar "soziale" Reformen.

Massiv steigende Sozialbeiträge ersticken das Wirtschaftswachstum

Massiv steigende Sozialbeiträge ersticken das Wirtschaftswachstum

Nach den Krankenversicherungen dürften bald Pflege und Rente mehr Geld verlangen – Bundesregierung verschlimmert die Lage – Sozialreform überfällig

lz Frankfurt
Von Stephan Lorz, Frankfurt

Der Aufschrei war groß, als der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dieser Tage empfohlen hatte, die Zusatzbeiträge um 0,8 Prozentpunkte anzuheben auf dann 2,5%. Diese müssen auf die Beiträge von aktuell 14,6% noch draufgelegt werden. Der Schätzerkreis aus Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums, der GKV und des Bundesamtes für Soziale Sicherung argumentiert, dass die aktuellen Kostensteigerungen nicht anders aufgefangen werden können. Zumal der Staat seinen Verpflichtungen, die Kosten der Bürgergeldempfänger zu übernehmen, bislang nicht nachgekommen sei.

Der Beitragssatz zur Krankenversicherung steigt damit 2025 auf ein Rekordhoch von 17,1%. Zusammen mit den Beiträgen an Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung würden die Sozialabgaben dann von derzeit 40,9% auf 41,7% zulegen. Noch höher waren die Beitragssätze zuletzt 2006 mit 41,9%.

Beiträge steigern Arbeitskosten

Die Höhe der Sozialabgaben ist immer wieder Thema, weil sie als Lohnnebenkosten die Arbeit verteuern und damit auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit mindern sowie Wachstumseinbußen nach sich ziehen. Die Debatte dürfte künftig noch intensiver geführt werden, weil die Belastungen eher weiter zunehmen. Schon bald dürfte etwa die Pflegeversicherung ihre Beiträge anheben, weil sie bereits jetzt die laufenden Kostensteigerungen nicht auffangen kann. Der Ökonom Axel Börsch-Supan rechnet mit einem sukzessiven Beitragsplus von insgesamt 7 bis 8 Prozentpunkten in den nächsten 20 Jahren. Aktuell liegt der Beitrag bei 3,4% des Bruttoeinkommens (Kinderlose: 4%). Eine gewaltige, zusätzliche Belastung also.

Unbarmherzige Demografie

Vor allem bei der Rente schlägt die demografische Entwicklung in Deutschland unbarmherzig zu und macht weitere Beitragserhöhungen zwingend, weil immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentenbezieher aufkommen müssen. Die Bundesregierung verschlimmert die Lage zusätzlich mit ihren Rentenplänen. Berlin will den Rentnern nämlich eine Absicherung nach unten (Haltelinie) garantieren. Die Renten sollen nicht unter 48% des Durchschnittseinkommens einer Standardrente fallen, was wegen des „Nachhaltigkeitsfaktors“ kommen würde. Dieser soll eigentlich die Finanzen stabilisieren und die Lasten gerecht auf die Generationen verteilen. Er soll nun ausgesetzt werden.

Die Finanzierungslast wird damit allein den Beitragszahlern aufgebürdet. Obendrein zeigt sich, dass die Kosten wohl höher sind als zunächst eingeschätzt. Von einem Finanzierungsvolumen von 500 Mrd. Euro ist die Rede. Das wird die Beiträge noch schneller steigen lassen. Bisher rechnet die Bundesregierung bis 2035 mit einer Beitragssteigerung von aktuell 18,6 auf 22,3%. Das wird nicht mehr reichen.

Sozialbeiträge bei 50% des Bruttolohns

Jüngste Berechnungen durch Deloitte zeigen, dass bis 2050 die Ausgaben und Einnahmen bei der Krankenversicherung immer weiter auseinanderlaufen. Die Ausgaben schrauben sich von bisher 7,1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf mindestens 10,5% nach oben. Der Bundeszuschuss müsste schon um 600 Mrd. Euro im Jahr zulegen, warnt die Unternehmensberatung.

Schon im Jahr 2035 dürften die Sozialbeiträge fast die Hälfte des sozialversicherungspflichtigen Einkommens (Brutto) ausmachen, wie Berechnungen des IGES-Instituts für die DAK-Krankenkasse zeigen. Die negativen Wirkungen auf Wachstum und Wettbewerb sind dabei noch gar nicht berücksichtigt, die von hohen Beitragssätzen und der sinkenden Zahl an Erwerbstätigen ausgehen. Letzteres mindert das Wachstum drastisch, wie Ökonomen von Morgan Stanley warnen. Das erhöht seinerseits den Finanzdruck auf die Sozialkassen. Und das setzt wiederum eine abwärtsgerichtete Wechselwirkungsspirale beim Wachstum in Gang. Um eine große Sozialreform kommt die nächste Bundesregierung nicht herum.

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