GROSSBRITANNIEN NACH DER WAHL

May will Minderheitsregierung bilden

Wahlschlappe für die Tories - Zweites schottisches Unabhängigkeitsreferendum weniger wahrscheinlich

May will Minderheitsregierung bilden

Die britische Ministerpräsidentin Theresa May, die sich eigentlich ein Mandat für die Brexit-Verhandlungen holen wollte, hat bei der von ihr angesetzten Wahl die absolute Mehrheit im Unterhaus verloren. Nun will sie eine Minderheitsregierung führen, die von den nordirischen Protestanten der Democratic Unionist Party (DUP) toleriert wird. Die schottischen Nationalisten büßten zahlreiche Mandate ein.hip London – Die britische Premierministerin Theresa May hat nach einer schweren Wahlniederlage von Königin Elizabeth II. den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Die Tories gingen zwar als stärkste Partei aus der Wahl hervor, verloren jedoch die absolute Mehrheit im britischen Unterhaus. Sie versprach den Wählern bei einem kurzen Auftritt vor ihrem Amtssitz in der Downing Street “eine Regierung, die für Gewissheit sorgen und Großbritannien in dieser entscheidenden Zeit nach vorn bringen kann”. Zudem kündigte die sichtlich angeschlagene Amtsinhaberin an, entschlossen gegen “die Ideologie des islamistischen Extremismus und alle, die sie unterstützen”, vorzugehen. Die konservative Abgeordnete Anna Soubry hatte ihrer Parteichefin bereits am frühen Freitagmorgen empfohlen, “ihre Position zu überdenken”, was der Aufforderung gleichkommt, das Amt niederzulegen. Nach der bisherigen Auszählung kommen die Tories nur noch auf 318 Sitze, 12 weniger als zuvor. Für eine Mehrheit benötigen sie 326. Labour verbesserte sich um 29 Sitze auf 261. Bis Redaktionsschluss war einer der 650 Wahlkreise noch nicht ausgezählt. “Welle des Populismus”Oppositionsführer Jeremy Corbyn forderte May direkt zum Rücktritt auf. Sie solle Platz für eine Regierung machen, die wirklich die Bevölkerung dieses Landes repräsentiere, verlangte er. Die Menschen kehrten der Sparpolitik den Rücken. Das Wahlergebnis sei ein “Votum der Hoffnung für die Zukunft”. Die Wahlbeteiligung lag mit 68,7 % deutlich höher als 2015. Vor allem junge Wähler stimmten für Labour.Die Premierministerin hatte die Wahl angesetzt, weil sie auf ein starkes Mandat der Bevölkerung für die anstehenden EU-Austrittsverhandlungen hoffte. Zudem wollte sie sich dadurch mehr Zeit für die Gespräche mit Brüssel verschaffen. In den Meinungsumfragen lagen die Tories zu dieser Zeit weit vorn (siehe Grafik). Die Entscheidung sei “auf spektakuläre Weise nach hinten losgegangen”, sagte Saker Nusseibeh, Chief Executive des Vermögensverwalters Hermes Investment Management, der den Pensionsfonds der BT Group verwaltet. Er spricht von einer “Welle des Populismus, ähnlich wie beim EU-Referendum, den amerikanischen oder französischen Wahlen”. Nur dass sich die Wähler in diesem Fall von der Wirtschaftspolitik des Labour-Vize John McDonnell und Corbyns Authentizität begeistern ließen. Nun will May eine Minderheitsregierung bilden, die von den nordirischen Unionisten toleriert wird. Die Democratic Unionist Party (DUP) kam auf zehn Sitze. Minderheitsregierungen sind meist problembehaftet. Die Strategen von Nomura halten es deshalb für möglich, dass es noch im laufenden Jahr zu einer weiteren Wahl kommt.Die Volkswirte der HSBC fürchten, dass die Regierung schwächer gegenüber Hardlinern aus den Reihen der Tories sein wird, die überproportionalen Einfluss ausüben könnten, indem sie bei wichtigen Abstimmungen mit dem Entzug ihrer Unterstützung drohten. Eigentlich stünden bis 2022 keine Neuwahlen mehr an. Wegen ihrer prekären Position gebe es aber keine Garantie, dass die Regierung die ganze Amtszeit überstehe.”Politiker müssen verantwortlich handeln, die Interessen des Landes an die erste Stelle setzen und der Welt zeigen, das Großbritannien ein sicherer Ort für Geschäfte ist”, forderte Carolyn Fairbairn, die Generaldirektorin der Confederation of British Industry (CBI). Das Pfund verlor gegen den Dollar. An den Finanzmärkten fürchtet man eine neue Phase der politischen Unsicherheit.Die Liberaldemokraten, die als Anti-Brexit-Partei angetreten waren, holten vier zusätzliche Mandate und werden künftig mit zwölf Abgeordneten vertreten sein. Nick Clegg, der während der Regierungskoalition mit den Konservativen Stellvertreter David Camerons war, verlor sein Mandat. Der konservative Brexit-Befürworter Zac Goldsmith verdrängte in Richmond Park, wo viele Wähler für den Verbleib in der EU gestimmt hatten, die Liberaldemokratin Sarah Olney. Enttäuschung für SturgeonDie schottischen Nationalisten, die seit der Entscheidung für den Brexit mit einem weiteren Unabhängigkeitsvotum – “Indyref 2” – drohten, fuhren eine empfindliche Niederlage ein. Sie verloren 21 Mandate und werden künftig nur noch mit 35 Abgeordneten in Westminster vertreten sein. Der ehemalige Chef der Scottish Nationalist Party (SNP), Alex Salmond, verlor seinen Sitz dort. “Indyref 2 ist tot, das haben wir heute gesehen”, sagte Ruth Davidson, die Chefin der schottischen Tories, der BBC. Nicola Sturgeon, die Chefin der schottischen Regionalregierung gab zu, vom Wahlergebnis enttäuscht zu sein. Sie werde nun aber keine “überstürzten Entscheidungen” in Sachen Volksentscheid fällen, sagte sie.