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Mayonomics - Die "Nasty Party" zielt auf die Mitte

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 13.7.2016 David Camerons Nachfolgerin Theresa May ist dafür bekannt, dass sie nicht viel sagt, es aber so meint, wie sie es sagt. Als sie 2002 zur Chairwoman der Konservativen gewählt wurde, legte sie die...

Mayonomics - Die "Nasty Party" zielt auf die Mitte

Von Andreas Hippin, LondonDavid Camerons Nachfolgerin Theresa May ist dafür bekannt, dass sie nicht viel sagt, es aber so meint, wie sie es sagt. Als sie 2002 zur Chairwoman der Konservativen gewählt wurde, legte sie die Grundlage für das, was von ihr als Premierministerin zu erwarten ist. “Unsere Parteibasis ist zu eng und so verhält es sich mitunter auch mit unseren Sympathien”, sagte sie damals auf der Parteikonferenz der Tories im südenglischen Bournemouth. “Sie wissen, wie uns manche Leute nennen: die garstige Partei (the nasty party).” Das gelte es zu ändern.May gilt als One Nation Conservative. Diese von Paternalismus und Pragmatismus geprägte Strömung in der Partei geht auf den ehemaligen Premier Benjamin Disraeli (1804 – 1881) zurück. Er wollte damit die erstarkende Arbeiterklasse ansprechen, um gesellschaftliche Brüche zu vermeiden. So muss man wohl auch Mays Ankündigung verstehen, die Partei “komplett, absolut und unmissverständlich in den Dienst” der arbeitenden Bevölkerung zu stellen. Das Ergebnis des EU-Referendums war aus ihrer Sicht nicht nur ein Votum dafür, die Europäische Union zu verändern, sondern auch für einen politischen Wandel. Wer gedacht hatte, die Regierung würde nach Mays Sieg eine Politik des Laissez-faire betreiben, dürfte enttäuscht werden.”Zuerst brauchen wir eine mutige, neue, positive Vision für die Zukunft unseres Landes – eine Vision für ein Land, das für alle funktioniert, nicht nur für Privilegierte”, sagte May auf einer Veranstaltung in Birmingham, noch bevor klar war, dass sie das Amt Camerons erben würde. “Als Zweites müssen wir unsere Partei und das Land einen.” Und als Drittes brauche das Land eine starke bewährte Führung, um es durch eine Phase der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit zu steuern und den bestmöglichen Deal in den Austrittsverhandlungen mit der EU herauszuholen. “Brexit heißt Brexit”, stellte sie unmissverständlich klar. “Es wird keine Versuche geben, in der EU zu bleiben, keine Versuche, durch die Hintertür wieder einzutreten, und auch kein zweites Referendum.” Kampf gegen UngleichheitSie bemängelte soziale Ungleichheit und das mangelnde Vertrauen der Menschen in die politischen Institutionen. “Wer heute arm geboren wird, stirbt im Schnitt neun Jahre früher als die anderen”, gab May zu. Sie räumte auch ein, dass Schwarze von der Strafjustiz härter angefasst werden als Weiße. Für weiße Jungen aus der Arbeiterklasse sei es am unwahrscheinlichsten, dass sie eine Universitätsausbildung erhielten. Klassendenken bestimmt nach wie vor die politische Debatte im Vereinigten Königreich. Politiker seien sich oft nicht darüber im Klaren, wie schwer das Leben für die Familien der Arbeiterklasse sei, sagte May.Ihre Pläne für eine Reform der Corporate Governance könnten auch aus der Feder eines New-Labour-Redenschreibers stammen. May attackierte “Big Business” in ähnlicher Form, wie sich die Libertären in ihrer Partei gegen “Big Government” ereifern. May kritisierte, dass die Non-Executive Directors der großen Unternehmen meist aus den gleichen “engen sozialen und beruflichen Kreisen” stammen wie das Management. “Wie man immer wieder gesehen hat, ist ihr prüfender Blick einfach nicht gut genug.”Sie wolle als Premierministerin dafür sorgen, dass Verbraucher und Mitarbeiter im Board sitzen. Zudem sollen die Rechte der Aktionäre gestärkt werden, wenn es um das Thema Managervergütung geht. Ihr Votum (“Say on Pay”) soll künftig für die Verwaltung nicht lediglich beratender Natur, sondern verbindlich sein. Firmen sollen künftig mitteilen müssen, wie sich das Einkommen des Chief Executive zum durchschnittlichen Gehalt ihrer Mitarbeiter verhält. Die Ziele, für deren Erreichung Boni gewährt würden, müssten offengelegt werden. “Der FTSE notiert ungefähr auf dem gleichen Niveau wie vor 18 Jahren und befindet sich fast 10 % unter seinem Höchststand”, sagte May. “Gleichwohl hat sich die Managervergütung in dieser Zeit mehr als verdreifacht, und es gibt eine irrationale, ungesunde und wachsende Kluft zwischen dem, was diese Unternehmen ihren Mitarbeitern bezahlen, und dem, was sie ihren Bossen bezahlen.””Eine bessere Corporate Governance wird diesen Unternehmen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen – besser für ihren eigenen langfristigen Nutzen und für den der Gesellschaft insgesamt.”May sprach sich zudem für eine industriepolitische Strategie aus, um feindliche Übernahmen abwehren zu können – wie AstraZeneca die Annäherungsversuche des Viagra-Herstellers Pfizer. Die Aktionäre der betroffenen Firmen seien nicht die Einzigen, deren Interessen es zu berücksichtigen gelte. Die Tories seien zwar die Partei des Unternehmergeists, das bedeute aber nicht, dass sie eine Politik des “Erlaubt ist, was gefällt” verfolgen wollten. Das Wettbewerbsrecht müsse reformiert und angewandt werden. Wenn es Hinweise darauf gebe, dass Versorger und Retailbanken ihre Position in diesen konzentrierten Märkten missbrauchen, müsse man einschreiten. Steuervermeidung im VisierSteuerflucht und Steuervermeidung sagte sie den Kampf an. Steuern seien der Preis dafür, in einer zivilisierten Gesellschaft zu leben. “Für mich spielt es keine Rolle, ob Sie Amazon, Google oder Starbucks sind”, sagte May. “Sie müssen etwas zurückgeben, Sie haben eine Verpflichtung gegenüber ihren Mitbürgern, Sie sind dafür verantwortlich, Ihre Steuern zu zahlen.” Es sei nicht wirtschaftsfeindlich, wenn man verlange, dass sich das “Big Business” verändern müsse.May forderte eine Energiepolitik, die Versorgungssicherheit schafft und die Kosten für die Nutzer senkt, mehr Wohnungsbau und eine bessere Forschungs- und Entwicklungspolitik. Infrastrukturprojekte will sie mit mehr vom Schatzamt garantierten Projektbonds fördern.May gab zu, dass das eine andere Art von Konservatismus sei als der bisher gängige. Sie sei aber völlig konsistent mit konservativen Prinzipien. “Weil wir nicht nur an den Markt glauben, sondern an Gemeinschaften”, sagte May. “Wir glauben nicht nur an Individualismus, sondern auch an die Gesellschaft. Wir hassen den Staat nicht, wir schätzen die Rolle, die nur der Staat spielen kann.”