Mehr Macht für das Kartellamt
wf Berlin
Auf die aktuelle Diskussion über die Spritpreise will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit einer Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) antworten. Dazu soll die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform vorgezogen werden. „Wir machen ein Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk. Konkret geplant sind drei Maßnahmen: Eine missbrauchsunabhängige Entflechtung soll Wettbewerb auf verfestigen Märkten schaffen. Niedrigere Hürden sollen eine kartellrechtliche Gewinnabschöpfung erleichtern und die Durchsetzungskraft des Bundeskartellamts erhöhen. Zudem sollen Sektoruntersuchungen schlagkräftiger werden.
Lindner gegen Steuer
Hintergrund der Pläne sind die immer noch hohen Benzin- und Dieselpreise an den Tankstellen. Die temporäre Senkung der Mineralölsteuer für drei Monate sollte nach dem Willen der Bundesregierung die Spritpreise drücken. Der Tankrabatt führt im Bundeshaushalt zu Steuermindereinnahmen von 3,15 Mrd. Euro. In den Preisen an den Tankstellen hat sich die Steuersenkung indessen nicht im erwarteten Umfang niedergeschlagen. Die Mineralölkonzerne stehen im Verdacht, die Steuersenkung nicht voll an die Verbraucher weiterzugeben. Habeck und auch Vertreter der SPD fordern, mit einer Übergewinnsteuer die erhöhten Gewinne abzuschöpfen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und die Liberalen in der Ampel lehnen eine solche Steuer entschieden ab. Den ARD-Tagesthemen sagte der FDP-Vorsitzende, in Deutschland würden Unternehmensgewinne besteuert – und zwar im internationalen Vergleich besonders stark. Der Finanzminister hat nach eigenem Bekunden keine Erkenntnisse über ungewöhnlich hohe Gewinne von Energiekonzernen. „Das können wir zur Stunde gar nicht sagen“, stellte er in einem Interview des TV-Senders Welt fest. „Wir haben hier im Bundesministerium der Finanzen keine amtliche Erkenntnis, dass es zu besonders hohen Gewinnmargen bei den inländischen Mineralölgesellschaften käme“, sagte Lindner. Zudem warnte er vor einem zu schnellen Urteil, ob die Steuersenkung an den Tankstellen ankomme. Viele Faktoren beeinflussten den Spritpreis, etwa auch die Euro-Dollar-Relation. „Tanken wäre wesentlich teurer, wenn der Staat noch eine Steuer obendrauf erheben würde“, sagte Lindner. Habeck sagte dagegen im Deutschlandfunk, er werde die Idee einer Übergewinnbesteuerung nicht vom Tisch nehmen, da er sie für richtig halte. In der Ampel-Koalition scheine sie aber nicht mehrheitsfähig zu sein.
„Vermachtete Märkte“
Habecks Pläne zielen darauf, das Bundeskartellamt umfassend zu stärken. Der Mineralölmarkt sei kein Einzelfall, heißt es in einem Papier des Ministeriums. In vielen Teilmärkten gebe es zu wenige Anbieter. Unter dem Stichwort „Ausbeutungsmissbrauch bekämpfen“ soll die Behörden in „vermachteten Märkten unverdiente Gewinne abschöpfen“ können. Da es derzeit fast unmöglich sei, diese „Übergewinne“ nachzuweisen, will Habeck dies „drastisch vereinfachen“. Zudem soll das Kartellamt aus Sektoruntersuchungen künftig konkrete Maßnahmen ableiten dürfen. Als letztes Mittel soll die Entflechtung ohne schwierigen Nachweis möglich sein. Auch bei der Fusionskontrolle soll die Entflechtung gestärkt werden. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir setzen uns für eine missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit auf europäischer Ebene als Ultima Ratio auf verfestigten Märkten ein.“ CSU-Finanzsprecher Sebastian Brehm wertete Habecks Vorhaben als „Angriff auf die Soziale Marktwirtschaft“. Die Pläne zur Beschlagnahme von Gewinnen der Mineralölwirtschaft von SPD, Grünen und FDP hebelten die Rechtssicherheit für Unternehmen aus und schwächten Deutschland als Investitionsstandort.
Leitartikel Seite 6