ZUKUNFT DER EUROZONE IM FOKUS

Merkel geht bei Euroreform auf Macron zu

EU-Kommission begrüßt Vorschläge - SPD verlangt ambitioniertere Schritte - Deutsch-französischer Ministerrat steht an

Merkel geht bei Euroreform auf Macron zu

Die Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Reform der Eurozone sind in Europa auf ein positives Echo gestoßen. Manchen gehen sie aber nicht weit genug. Der Koalitionspartner SPD und der französische Präsident Emmanuel Macron wollen ambitioniertere Schritte sehen. wf Berlin – Die EU-Kommission in Brüssel hielt sich inhaltlich zu den Vorschlägen der deutschen Kanzlerin zurück: “Wir begrüßen die Ideen von Angela Merkel, die Einigkeit und Handlungsfähigkeit der EU-27 zu stärken, um in einer ungewissen und instabilen Welt zu agieren”, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles vermisst bei Merkels Vorschlägen die Besteuerung der Digitalwirtschaft und Mindeststandards zur sozialen Absicherung. Beides hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bei seiner Europa-Rede in der Pariser Hochschule Sorbonne im September 2017 vorgetragen. Nur ein positiver Schritt Das französische Präsidialamt erklärte laut Nachrichtenagentur Reuters, die Aussagen Merkels seien ein positiver Schritt. Sie unterstrichen ihre europäischen Zusagen. Es sei aber noch mehr Arbeit für eine ambitionierte Vereinbarung nötig. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert erwartet auch die Bundesregierung noch “viel Arbeit” mit den europäischen Partnern. Beim Europäischen Rat Ende Juni sollen richtungsweisende Entscheidungen fallen. Davor werden sich die Regierungen Deutschlands und Frankreichs noch zu einem Ministerrat treffen. Merkel äußerte sich in einem Interview der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS)” zur Reform der Eurozone, zur institutionellen Modernisierung der EU sowie zur europäischen Sicherheits- und Migrationspolitik. Den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM will die Kanzlerin zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) weiterentwickeln – weiterhin im zwischenstaatlichen Recht verankert und durch die nationalen Parlamente kontrolliert. Dazu wurde sie konkreter als bisher. Der EWF soll Instrumente wie der Internationale Währungsfonds (IWF) erhalten, um aus eigener Kompetenz die volkswirtschaftliche Lage in den Mitgliedsländern einschätzen und Kreditprogramme überwachen zu können. Dazu solle auch die Beurteilung der Schuldentragfähigkeit eines Landes gehören. Die Einschätzung des IWF dazu hat im Fall von Griechenland eine Beteiligung des Fonds in Washington am aktuellen dritten Kreditprogramm verhindert. Merkel will dem EWF zudem die Kompetenz einräumen, die Einhaltung der Stabilitätsprogramme mit zu überprüfen. Dies liegt bislang in der alleinigen Zuständigkeit der EU-Kommission. Mittel für die Schwachen Mit einem weiteren neuen Instrument kommt sie den Wünschen vieler Südeuropäer entgegen: Der ESM, der bislang mit sehr langfristigen Krediten hilft und dafür als Auflage umfassende Strukturreformen verhängt, soll künftig auch kurzfristige Kredite mit Laufzeiten von etwa fünf Jahren verfügen können – ebenso gegen Auflagen, die aber milder ausfallen dürften, und rückzahlbar. Diese Fazilität ist für Länder gedacht, die durch äußere Ereignisse unter Druck geraten. Dies könnte etwa Irland durch den Brexit betreffen oder Spanien im Fall der Abspaltung Kataloniens. Macron hatte “mehr Mittel zur Stabilisierung angesichts der Wirtschaftskrisen” gefordert, aber auch mehr Geld für Investitionen. Beides sieht er als Teil des EU-Haushalts, den er unter anderem aus der Digitalsteuer und der Finanztransaktionssteuer stärken will. Merkel hatte bereits seit längerem signalisiert, sie könne sich zusätzliche Mittel für EU-Staaten mit Strukturschwächen und Nachholbedarf vorstellen. Nun konkretisierte sie das Volumen auf einen Betrag im “unteren zweistelligen Milliardenbereich”, der schrittweise eingeführt und evaluiert werden soll. Für Merkel ist noch ungeklärt, ob das zusätzliche Budget inner- oder außerhalb des EU-Budgets verwaltet und parlamentarisch kontrolliert wird und wie die Mittel vergeben werden.Aus der deutschen Kreditwirtschaft kam dazu Unterstützung. Christian Ossig aus der Hauptgeschäftsführung des Bankenverbands BdB sieht vor allem in dem Vorschlag zu einem gemeinsamen europäischen Investitionshaushalt den Weg, um die EU und den Euro zu stabilisieren. Der Verband der Kreditgenossen hob als positiv hervor, dass die Weiterentwicklung des ESM zum EWF Auflagen bei der Kreditvergabe und nationale parlamentarische Kontrolle vorsehe. Bei einer Anhörung im Bundestag sprach sich auch Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann dafür aus, den ESM als Kriseninstrument kontrolliert zu stärken.