Merkel sondiert Realisierungschancen einer Jamaika-Koalition

Arbeitgeberpräsident Kramer: AfD im Bundestag "schadet unserem Land" - RWE geben kräftig nach

Merkel sondiert Realisierungschancen einer Jamaika-Koalition

ku/lz/ge Frankfurt/Berlin – Einen Tag nach der Bundestagswahl hat Bundeskanzlerin Angela Merkel erste Weichen für Sondierungen zur Bildung einer neuen Regierung gestellt. Die CDU-Chefin bot FDP und Grünen sowie auch der SPD Gespräche an. Die SPD-Spitze bekräftigte allerdings, wegen ihres historisch schlechten Wahlergebnisses in die Opposition gehen zu wollen.Bei CDU und CSU bahnt sich unterdessen ein Richtungsstreit an. CSU-Chef Horst Seehofer forderte mit Blick auf das Erstarken der AfD und eigener starker Stimmenverluste (minus 10,5 Prozentpunkte auf 38,8 %) eine stärkere Ausrichtung nach rechts, was die CDU-Spitze ablehnt. FDP und Grüne bekräftigten grundsätzlich ihre Bereitschaft zu einem Jamaika-Bündnis mit der Union, was durch den Rechtskurs der CSU aber erschwert werden dürfte.Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis des Wahlleiters zufolge haben die Unionsparteien 8,5 Prozentpunkte gegenüber der Wahl vor vier Jahren verloren und kommen nun nur noch auf 33 %. Die SPD verlor 5,2 Prozentpunkte und erreichte mit 20,5 % ein Ergebnis nur knapp über der 20-Prozent-Schwelle. Die Verluste wurden am Sonntagabend als “Abwahl” der großen Koalition interpretiert. Die FDP schaffte den Wiedereinzug in das Parlament, Grüne und Die Linke schnitten besser ab als in den Umfragen zuletzt erwartet, die AfD aber wird mit 12,6 % der Zweitstimmen drittstärkste Fraktion. FDP gilt als Euro-negativWährend der Wahlausgang am Aktienmarkt mit einem Achselzucken quittiert wurde, war am Devisenmarkt eine deutliche Reaktion zu beobachten. Der Euro gab um 0,8 % auf 1,1852 Dollar nach. Analyst Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank sagte, das Programm der möglicherweise in der nächsten Bundesregierung vertretenen FDP werde am Markt als Euro-negativ interpretiert. Neben der Bundestagswahl spielte aber auch eine Rolle, dass sich die Auseinandersetzung um das Unabhängigkeitsvotum der spanischen Provinz Katalonien verschärft hat.Leichte Unsicherheit war am europäischen Anleihemarkt zu spüren. Der Renditeaufschlag zehnjähriger italienischer Staatsanleihen gegenüber entsprechenden Titeln des Bundes weitete sich um 5 Basispunkte (BP) auf 176 BP aus. Während der Dax mit12 595 Punkten in etwa auf dem Stand vom Freitag verharrte und der Euro Stoxx 50 minimal 0,1 % auf 3 539 Zähler einbüßte, gab es bei Einzelaktien deutliche Reaktionen auf die sich abzeichnende Einbeziehung der Grünen in die neue Bundesregierung: So gaben die Titel des auf Braunkohle setzenden Versorgers RWE kräftig um 5,3 % auf 19,16 Euro nach. Der Kurs der wesentlich stärker auf erneuerbare Energien setzenden Eon büßte nur 0,7 % auf 9,25 Euro ein. Die Titel des Windenergieanlagenbauers Nordex zeigten sich sehr fest mit einem Anstieg um 3,7 % auf 10,09 Euro.Ökonomen äußerten Zweifel, dass die Formierung einer Jamaika-Koalition gelingen kann in Anbetracht der großen programmatischen Unterschiede. FDP-Chef Christian Lindner bekundete, eine Beteiligung an der Regierung von einem Politikwechsel abhängig zu machen. “Wir lassen uns nicht in eine Regierung zwingen, deren politische Koordinaten wir nicht gutheißen können”, sagte er. Mit den Grünen gebe es bei allen Differenzen etwa in der Flüchtlings- und Energiepolitik auch Gemeinsamkeiten. Er bekräftigte aber, die FDP werde keinem Haushalt der Eurozone zustimmen, der zu einem Finanzausgleich in Europa führe.Die Grünen zeigten sich ebenfalls offen für Zugeständnisse. “Wir werden alle Kompromisse machen müssen”, sagte Parteichef und Spitzenkandidat Cem Özdemir. Aus Sicht der Grünen müssten aber deutliche Fortschritte beim Klimaschutz und in der Frage der sozialen Gerechtigkeit erreicht werden. Wichtig sei auch ein proeuropäischer Kurs der künftigen Regierung. Petry verlässt Fraktion”Angesichts großer globaler Herausforderungen braucht Europa jetzt mehr denn je eine stabile Bundesregierung, die tatkräftig an der Gestaltung unseres Kontinents mitwirkt”, mahnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einem Brief an Merkel. Auch die deutsche Wirtschaft fürchtet eine langwierige Regierungsbildung. Das könnte das Land bei dringenden Zukunftsaufgaben wie der Behebung des Fachkräftemangels und der Digitalisierung bremsen, warnten Lobbyverbände. Sorge bereitet auch das Abschneiden der AfD. “Die AfD im Deutschen Bundestag schadet unserem Land”, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Noch vor ihrer Konstituierung droht der AfD-Fraktion allerdings bereits die Spaltung: Co-Parteichefin Frauke Petry bekundete, der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören zu wollen.—– Nebenstehender Kommentar- Schwerpunkt Seite 7- Bericht Seite 17