Merkel strebt nach Verbindlichkeit

Wirtschaftspolitische Koordinierung soll mehr Biss bekommen - Paris-Besuch vor dem EU-Gipfel

Merkel strebt nach Verbindlichkeit

Die deutsche große Koalition will Europa weiterentwickeln. Mehr Verbindlichkeit in der wirtschaftspolitischen Koordinierung könne Schwächen der Währungsunion beseitigen, war Kanzlerin Angela Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung überzeugt.wf/fed Berlin/Brüssel – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit der neuen großen Koalition die Einigung Europas voranbringen. Deutschland werde als Gründungsmitglied der EU weiterhin eine verantwortungsvolle und integrationsfördernde Rolle in Europa wahrnehmen, stellte Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung nach der erneuten Wahl zur Bundeskanzlerin in Aussicht. “Für die große Koalition ist und bleibt das europäische Einigungswerk eine der wichtigsten Aufgaben dieser Legislaturperiode”, sagte die Kanzlerin. Ziel der deutschen Regierung sei es, mehr Verbindlichkeit in die wirtschaftspolitische Koordinierung der nationalen Politiken zu bringen.Die EU-Kommission kann zwar bislang Empfehlungen aussprechen, aber es hat wenige Konsequenzen, wenn die Staaten diese nicht befolgen. Merkel will dies ändern: Künftig solle es vertragliche Vereinbarungen mit der EU-Kommission geben, die mit den Mitgliedstaaten ausgearbeitet werden und von den Parlamenten gebilligt werden müssen, stellte sie in Aussicht. Im Einzelnen könne es um Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik oder die Funktionsfähigkeit der Verwaltungen gehen.Komme es zu einem “echten qualitativen Sprung” in Richtung Verbindlichkeit, könne sie sich auch vorstellen, Wege und Mechanismen zu finden, um Länder auf dem Weg zu den Zielen materiell zu unterstützen, sofern diese nicht gleichzeitig noch ihren Haushalt konsolidieren könnten. Auch die EU-Verträge müssen aus Sicht Merkels weiterentwickelt werden, wenn sie als Grundlage nicht ausreichen sollten.”Die europäische Staatsschuldenkrise ist ohne Zweifel noch nicht überwunden – das kann man nicht oft genug betonen -, aber wir sehen erste Ergebnisse”, sagte Merkel. Die Krise könne dauerhaft überwunden werden, ist sie zudem überzeugt.Exemplarisch nannte Merkel den funktionsfähigen Rettungsfonds ESM und die europäische Bankenaufsicht. Mit Irland und Spanien gebe es zwei Länder, die die Früchte der Reformpolitik ernteten. Daran zeigten sich deutliche Schritte nach vorn. Die “große Herausforderung der Europapolitik” bleibe es, die Konstruktionsmängel in der Währungsunion zu beheben, damit “wir nie wieder in eine solche Krise hineinkommen”, unterstrich Merkel.Am Abend war die Kanzlerin zusammen mit dem neuen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu einem Arbeitsessen mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande nach Paris gereist. Der Besuch diente Regierungssprecher Steffen Seibert zufolge der Vorbereitung des Europäischen Rates am heutigen Donnerstag und am Freitag. Außerdem sollen in Paris bilaterale und internationale Themen wie die Lage in der Ukraine und der Zentralafrikanischen Republik besprochen werden. Vertiefte EU-DebatteBeim bevorstehenden EU-Gipfel sind nach Informationen aus deutschen Regierungskreisen zunächst noch keine konkreten Ergebnisse mit Blick auf die angestrebte Verbindlichkeit bei der wirtschaftspolitischen Koordinierung zu erwarten. Es reiche nicht aus, allein Beschlüsse zu fassen, hieß es in Berlin. Über diese Veränderung im europäischen Gefüge müsse auch eine vertiefte Debatte geführt werden. Diese dürfte sich nach Einschätzung der Bundesregierung noch über die erste Jahreshälfte 2014 erstrecken.Steinmeier sagte vor dem Treffen mit seinem Pariser Amtskollegen Laurent Fabius: “Die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich ist einzigartig, die Partnerschaft zwischen unseren Ländern unersetzlich.” Auch die sich bereits bestens bekannten Finanzminister treffen sich heute: Wolfgang Schäuble reist zu Pierre Moscovici zum offiziellen Antrittsbesuch.