Misstöne in Washington

Von Mark Schrörs, zzt. Washington Börsen-Zeitung, 8.10.2016 Eigentlich will Wolfgang Schäuble gar nichts sagen. "Selbst ,kein Kommentar` ist der falsche Kommentar", sagt Deutschlands Finanzminister, als er bei einer TV-Debatte am Rande der...

Misstöne in Washington

Von Mark Schrörs, zzt. WashingtonEigentlich will Wolfgang Schäuble gar nichts sagen. “Selbst ,kein Kommentar` ist der falsche Kommentar”, sagt Deutschlands Finanzminister, als er bei einer TV-Debatte am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington von dem Moderator gleich als Erstes nach Staatshilfen für die Deutsche Bank gefragt wird. Eins aber sagt er dann doch, mit sarkastischem Unterton: “Ich überlasse das den IWF-Mitarbeitern, die erklären, wie die Situation deutscher Banken ist.” Ein Seitenhieb auf offener Bühne gegen IWF-Chefin Christine Lagarde, die gleich neben ihm sitzt – schließlich haben IWF-Mitarbeiter zuvor mit Aussagen zur Deutschen Bank für Aufregung gesorgt.Nein, es ist derzeit wahrlich nicht zum Besten bestellt um das Verhältnis zwischen Berlin und Währungsfonds – das zeigt sich auch in der Debatte vor Hunderten Zuschauern im Atrium des Hauptquartiers des IWF. Aktuell gibt es gleich eine Vielzahl Themen, bei denen Regierung und Fonds über Kreuz liegen, bei denen es Misstöne gibt. “Es gab noch nie so viele Themen, bei denen es Diskrepanzen zwischen Deutschland und dem Fonds gibt”, sagt ein altgedienter IWF-Vertreter sogar. Und viele dieser Themen reichen und weisen über die Jahrestagung hinaus.Da ist zum einen das Konfliktthema Wachstumspolitik. Der IWF und Lagarde persönlich dringen seit Tagen darauf, dass Deutschland doch bitte seinen fiskalischen Spielraum nutzen und etwa mehr in die Infrastruktur investieren solle. Nun ist diese Forderung alles andere als neu – indirekt drängt der Fonds, häufig unterstützt von der US-Administration, Deutschland seit Jahren in diese Richtung. Es ist eine Art Dauerschleife bei den Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in der US-Kapitale. Neu ist aber, dass Deutschland nun namentlich als ein Land mit solchem Handlungsspielraum herausgestellt wird, wenn auch im Konzert mit Kanada und Korea.Das aber stört Schäuble gewaltig. Bereits vor der Sitzung in Washington haben seine Beamten die Verteidigungslinie festgelegt. Berlin verweist auf die geplanten Steuersenkungen von 6,3 Mrd. Euro jährlich ab 2017 und hebt hervor, dass die deutsche Investitionsquote mit 20,4 % deutlich über dem europäischen Durchschnitt liege. Als Lagarde in Washington die Steuerpläne zwar begrüßt, aber gleich hinzufügt, diese seien hoffentlich Teil eines größeren Pakets, reagiert Schäuble verärgert. “Ich versuche, nicht zornig zu werden”, sagt er.Aus dem IWF heißt es dazu, dass es keinem Land gefalle, wenn es explizit erwähnt wird. “Dann gibt es immer Beschwerden.” Allerdings steht hinter dem Disput auch ein grundsätzlicher Konflikt: Berlin sieht den Ausweg aus der aktuellen Schwäche der Weltwirtschaft in Strukturreformen. Im Fonds dagegen werden zwar auch Reformen angemahnt. Zugleich wird aber spätestens seit den Tagen des ehemaligen Chefs Dominique Strauss-Kahn und des Ex-Chefvolkswirts Olivier Blanchard ein großes Gewicht bei der Wachstumsankurbelung auf die Geld- und aktuell auf die Fiskalpolitik gelegt. Wie dieses Ringen um die richtige Antwort ausgeht, ist offen.Das zweite große Konfliktthema ist die Deutsche Bank. Infolge der in den USA angedrohten Milliardenstrafe wegen früherer US-Hypothekengeschäfte gibt es Sorgen wegen einer womöglich zu knappen Kapitaldecke – und Spekulationen über mögliche Staatshilfen. Schäuble hat sich dazu eine Art Schweigegelübde auferlegt. Und er ärgert sich gewaltig über Aussagen aus dem Fonds zur Lage des Instituts. Berlin hat sogar beim Fonds deswegen protestiert.Tags zuvor hatte IWF-Geld- und Kapitalmarktexperte Peter Dattels gesagt, die Deutsche Bank gehöre zu jenen Banken, die weiter Anpassungen vornehmen müssten, um Investoren davon zu überzeugen, dass ihr Geschäftsmodell für die Zukunft tragfähig ist. Zudem müsse klar sein, dass man Risiken aus Rechtsstreitigkeiten angehe. Dieses explizite Erwähnen eines einzelnen Instituts ist ungewöhnlich. Am Donnerstag äußerte sich Lagarde bei ihrer Auftaktpressekonferenz zur IWF-Tagung sehr viel zurückhaltender – nur um später in TV-Interviews doch wieder expliziter zu werden. So mahnte sie eine schnelle Einigung mit den US-Behörden an. “Ein schlechter Vergleich ist immer besser als ein guter Prozess.” Ärger um IWF-AussagenSolche Aussagen stoßen aber nicht nur in Deutschland auf Verwunderung und Ärger. In einer unsicheren Situation wie aktuell sollte man sich nicht so explizit äußern, moniert auch ein Euro-Offizieller in Washington: “Am besten sagt man dann gar nichts.” In Deutschland hallt auch noch negativ nach, dass der IWF die Deutsche Bank vor einigen Wochen als den größten Herd systemischer Risiken im globalen Bankensystem gebrandmarkt hat.Das dritte und vielleicht politisch brisanteste Konfliktthema ist schließlich die Beteiligung des IWF an dem aktuellen Hilfsprogramm für Griechenland. Berlin dringt auf eine auch finanzielle Beteiligung und dies ist auch Grundlage des Bundestagsbeschlusses zum Athen-Paket. Der Fonds allerdings will nur mitmachen, wenn es zu weiteren Schuldenerleichterungen kommt – wogegen es in Berlin viele Gegner gibt. Die Eurogruppe hat im Mai mögliche Schuldenerleichterungen in Aussicht gestellt – aber erst 2018. Der Fonds allerdings kann erst zustimmen, wenn er von der Nachhaltigkeit der griechischen Staatsfinanzen überzeugt ist. Für die Regierung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich könnte es aber zumal im heraufziehenden Bundestagswahlkampf politisch heikel werden, wenn sich die von ihr in Aussicht gestellte Beteiligung des Fonds nicht realisiert.In Washington tragen Lagarde und Schäuble diesen Konflikt auf offener Bühne aus. Die IWF-Chefin kritisiert erneut, dass die Schulden Griechenlands aktuell nicht tragfähig seien. Schäuble kontert: “Das Problem von Griechenland sind nicht die Schulden, das Problem ist, Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.” Nein, das ist wahrlich nicht der Tag der beiden Freunde Lagarde und Schäuble. ——–Schäuble und Lagarde streiten auf offener Bühne. Berlin und IWF liegen aktuell über Kreuz.——-