Inflationserwartungen

Misstrauen in deutscher Finanz­branche

Die deutsche Finanzbranche glaubt einer Umfrage zufolge überwiegend nicht mehr an eine kurzfristige Normalisierung der Teuerung. An den Märkten haben die Inflationserwartungen eine neuralgische Marke überschritten.

Misstrauen in deutscher Finanz­branche

rec/ms

Die Europäische Zentralbank (EZB) steckt in einer heiklen Phase ihren Nachkrisenkurs ab. Seit Monaten ziehen nicht nur die aktuellen Teuerungsraten, sondern auch die langfristigen Inflationserwartungen unaufhörlich an. Auch in der deutschen Finanzbranche macht sich Misstrauen breit: Zu großen Teilen kauft sie der EZB die Einschätzung, bei dem Preisschub handele es sich um ein weitgehend temporäres Phänomen, nicht ab.

Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) glauben Fach- und Führungskräfte am Finanzplatz zu einem ganz überwiegenden Teil nicht mehr an eine kurzfristige Normalisierung der Inflationsraten in Deutschland und im Euroraum. 72 % der Befragten gaben an, dass sie nicht damit rechnen, dass die Inflation bis Mitte des kommenden Jahres auf rund 2 % nachgeben wird. Ein solches Szenario unterstellen viele Marktteilnehmer, und auch die EZB setzt auf eine deutlich rückläufige Teuerung im kommenden Jahr.

Angesichts dieser Inflationseinschätzung sind denn auch knapp 88 % der Teilnehmer im CFS-Panel der Auffassung, dass die EZB aus ihrer expansiven Geldpolitik aussteigen sollte. Knapp 89 % der Befragten halten es zudem für geboten, dass die EZB zeitnah eine moderate Erhöhung der Leitzinsen vornimmt. Der EZB-Rat steuert auf ein Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP im März 2022 zu. Allerdings fordern viele Euro-Hüter, das zu flankieren mit einer parallelen Aufstockung des APP-Programms oder einem neuen Kaufprogramm. Zinserhöhungen im Jahr 2022 haben wichtige Euro-Notenbanker wie EZB-Chefvolkswirt Philip Lane zuletzt eine Absage erteilt.

Auch an den Märkten nehmen Zweifel an der Sichtweise der EZB zu. Der sogenannte Five-Year-Five-Year-Forward hat im Vorfeld des EZB-Zinsentscheids erstmals seit acht Jahren die neuralgische Marke von 2 % überschritten. Das bedeutet: Finanzmarktteilnehmer erwarten für die Jahre 2026 bis 2031 eine durchschnittliche Inflationsrate jenseits des EZB-Ziels von 2 %.   (Börsen-Zeitung,

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