KommentarEuropawahl 2024

Misstrauensvotum

Auch wenn die Rechts-Außen-Parteien weiterhin deutlich weniger Sitze haben werden als Christ- und Sozialdemokraten, so zeigen die Stimmgewinne rechts der Mitte: Das Misstrauen in die Lösungskompetenz der EU sitzt tief.

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Europawahlen

Misstrauensvotum

Von Detlef Fechtner

Gewiss, die Fürsprecher der Europäischen Union können sich die Ergebnisse der Europawahl schönreden. Indem sie darauf verweisen, dass die Stimmzuwächse der Rechtsaußen-Parteien geringer ausgefallen sind als in vielen Prognosen der vergangenen Wochen befürchtet. Indem sie vorrechnen, dass Europas Christ- und Sozialdemokraten auch im künftigen EU-Parlament aller Voraussicht nach mehr als doppelt so viel Sitze haben werden wie Rechtskonservative und Rechtsextreme (zumindest wenn man die aktuell fraktionslosen Parteien wie AfD oder Fidesz außen vorlässt). Oder indem sie auf einzelne, nationale Resultate wie etwa in Polen verweisen, wo die europafreundliche Partei von Donald Tusk einen klaren Wahlsieg eingefahren hat.

Aber das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Der Stimmenzuwächse vieler europakritischer oder gar europafeindlicher Parteien veranschaulichen das Misstrauen vieler Bürger gegenüber einer Europäischen Union, die von vielen mehr als Problem denn als Lösung wahrgenommen wird. Die Crux ist, dass gerade die Themen, die die Bürger am meisten umtreiben, im Grunde nicht mehr national bewältigbar sind, sondern gemeinsames europäisches Handeln verlangen – vom Klimaschutz über Migration bis hin zur Verteidigung. Aber ausgerechnet bei diesen Punkten sitzt das Misstrauen tief, befeuern Brüsseler Verabredungen wie das Verbrenner-Aus oder die Ukraine-Hilfen die Kritik an der EU.

Zudem wäre es ein Fehler, sich nur das Gesamtresultat der Stimmenverteilung im EU-Parlament anzuschauen. Denn das „Netting“ der Einzelergebnisse birgt die Gefahr, zu übersehen, dass das Ergebnis der Europawahl in einigen Mitgliedstaaten noch jede Menge Sprengkraft birgt – etwa in Österreich, aber sicherlich am offensichtlichsten in Frankreich. Die Weiterungen für die EU wären jedenfalls beträchtlich, wenn es Marine Le Pen gelänge, in Paris an die Macht zu gelangen – schließlich ist die Funktionsfähigkeit des französisch-deutschen Tandems nach wie vor für die EU spielentscheidend.

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