Mit dem Rücken zur Wand
US-Präsident Trump wird künftig ohne republikanischen Rückenwind regieren müssen. Bei den Zwischenwahlen haben Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen, während Republikaner im Senat am Ruder bleiben. Ob die verhärteten Fronten aufgebrochen werden können, hängt von beiden Seiten ab. det Washington – Eine schallende Ohrfeige war es nicht, doch haben Amerikas Wähler Präsident Donald Trump einen Denkzettel verpasst. Wenn am 3. Januar 2019 beide Kammern des US-Kongresses wieder zusammentreten, wird Trump nämlich einem gespaltenen Parlament gegenüberstehen. Im Senat haben seine republikanischen Parteifreunde ihre hauchdünne Mehrheit ausbauen können. Im Repräsentantenhaus werden aber Demokraten den Ton angeben. Angesagt ist Kompromissbereitschaft. Keineswegs auszuschließen ist aber, dass der Präsident, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, noch gefährlicher wird als bisher.Überraschend war das Ergebnis nicht. Wählerumfragen gingen übereinstimmend von einem demokratischen Teilerfolg aus, sowohl im Repräsentantenhaus als auch bei den 36 von 50 Gouverneursposten, um die gerungen wurde. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass viele Wähler nach der Stimmabgabe einerseits meinten, dass sie mit der robusten Konjunktur und der günstigen Lage am Arbeitsmarkt zufrieden sind. Dennoch gaben viele derselben Wähler zu Protokoll, dass sich die Nation “in die falsche Richtung bewegt”, eine klare Absage also an Trumps Regierungsstil. Abstoßend fanden sie demnach vor allem die unnötige Thematisierung der Migranten-Karawane und die Dämonisierung illegaler Einwanderer.In jenen Staaten, die Trump 2016 gewonnen hatte und wo der Präsident während der hektischen Schlussphase des Wahlkampfs für republikanische Kandidaten warb, behielten diese die Oberhand. Zu Einbußen für Republikaner kam es hingegen in jenen Staaten, in denen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton vor zwei Jahren fest mit einem Sieg gerechnet hatte, Trump aber überraschend die Nase vorn hatte.In Pennsylvania, Wisconsin, Michigan und Virginia kehrten vor allem weibliche Wähler, die bei der Präsidentschaftswahl Trump unterstützt hatten, der Regierungspartei den Rücken. Auch werden im neuen Kongress Frauen stärker vertreten sein als je zuvor. Eher enttäuschend verlief die Wahl hingegen für afroamerikanische Kandidaten. Sie hatten gehofft, aus der polarisierenden Politik des Präsidenten Kapital schlagen zu können. Trotzdem unterlag bei der Gouverneurswahl in Florida der favorisierte Demokrat Andrew Gillum, während in Georgia Tracey Abrams den Kürzeren zog. Für Abrams hatten Fernsehstar Oprah Winfrey und andere Hollywood-Persönlichkeiten geworben. Sie wäre im Falle eines Siegs die erste afroamerikanische Gouverneurin in der Geschichte geworden.Dass Trumps Auftritte in republikanischen Hochburgen dort Kandidaten beflügelten, beweist zum einen, dass seine politische Basis weitgehend intakt ist. Schwierig bis unmöglich wird es für den Präsidenten und seine Parteifreunde bis zur nächsten Wahl aber sein, diese auszubauen. So oder so steht Trump nun vor schwierigen Herausforderungen, deren Tragweite er womöglich gar nicht abzuschätzen vermag.Im Gegensatz zu bisher werden nämlich in der unteren Kammer Demokraten die wichtigsten Ausschüsse leiten. Etwa den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, den Justiz-, Finanz- und Geheimdienstausschuss sowie jenes Komitee, das für Aufsicht über die Regierung und die staatliche Gewaltenteilung zuständig ist. Dieses wird künftig von dem ausgewiesenen Trump-Gegner Elijah Cummings gesteuert, und er hat bereits angekündigt, dem Präsidenten auf den Zahn fühlen zu wollen.Zu erwarten ist, dass der Ausschuss Trumps Steuererklärungen anfordern wird und versuchen wird, die Aktivitäten seines Firmenimperiums und vor allem die Kontakte zu Moskau zu durchleuchten. Ohne weiteres ignorieren kann der Präsident seine Gegner im Repräsentantenhaus nicht. Schließlich sind die Demokraten nun befugt, rechtsverbindliche Vorladungen auszustellen, die dem Weißen Haus und speziell den Stabsmitarbeitern des Präsidenten Kopfzerbrechen bereiten können.Entsprechende Kampfbereitschaft signalisierte Trump gleich am Morgen nach der Wahl. Wenn Demokraten im Repräsentantenhaus gegen ihn Untersuchungen einleiten wollen, “dann könnten wir gezwungen sein, im Senat gegen sie zu ermitteln”, kokettierte er auf Twitter. Zwar haben sowohl Demokraten als auch Trump und die Republikaner prinzipiell Kompromissbereitschaft signalisiert, ob in der Handels-, Gesundheits-, Steuer oder Einwanderungspolitik. Erste Signale deuten aber darauf hin, dass sich die Fronten weiter verhärten werden und der Präsident mit dem Rücken zur Wand noch gefährlicher werden könnte. Welche politischen Auswüchse das haben könnte, das weiß vermutlich nicht einmal Trump.