Mitgliederbefragung startet nach Personalstreit
wf Berlin
Mit der Hypothek eines heftigen Streits um die Besetzung der Ministerriege haben die Grünen am Freitag verspätet ihre Urabstimmung über den Koalitionsvertrag eröffnet. Abgestimmt werden kann bis zum Nikolaustag um 13 Uhr. Das Ergebnis soll noch am selben Tag bekannt gemacht werden. Wie es ausfällt, ist nach der heftigen Personaldebatte nicht mehr so klar. Auslöser war ein Ringen zwischen den Flügeln der Realos und Fundamentalisten um die anteilige Repräsentanz in den Ministerämtern. Der frühere Parteichef, der den Realos zuzurechnende Cem Özdemir, setzte sich durch und soll nun Agrarminister in der neuen Ampel-Koalition werden. Co-Fraktionschef Anton Hofreiter, den der linke Flügel als Minister für gesetzt hielt, zog den Kürzeren. Der Verkehrspolitiker hatte die entsprechende Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen geleitet, wohl nicht mit der erwarteten Fortune. Das Verkehrsministerium fiel zudem an die FDP. Der Generalsekretär der Liberalen, Volker Wissing, wird es führen.
Suche nach Balance
Die Grünenspitze hatte die für Donnerstag angekündigte Bekanntgabe der Postenbesetzung wegen des Personalstreits verschieben müssen. Die Partei wird in der neuen Bundesregierung über fünf Ressorts verfügen: Auswärtiges Amt, Wirtschaft und Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft sowie Familie. Rechnet man den Posten des Staatsministers für Kultur und Medien im Kanzleramt noch hinzu, sind es sechs Positionen. Die Grünen haben vier Frauen und zwei Männer für die sechs Ämter nominiert. Die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck galten als gesetzt. Beide gehören zum Lager der Realos. Baerbock wird Außenministerin, Habeck Wirtschaftsminister. Das Umweltministerium wird die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Steffi Lemke, übernehmen. Sie kommt aus dem Wahlkreis Dessau-Wittenberg und repräsentiert damit zugleich den Osten. Lemke ist dem linken Flügel zuzurechnen wie auch Claudia Roth, die Staatsministerin für Kultur und Medien werden soll. Für Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die den Realos zuzurechnen ist, war der Weg ins Familienministerium damit versperrt. Das Amt geht nun an Anne Spiegel, die in Rheinland-Pfalz in der Ampel-Regierung Klimaministerin war, und zur Linken zählt.
Özdemir war der Favorit der Parteispitze. Er hat den starken baden-württembergischen Landesverband im Rücken und seinen Wahlkreis mit einem Spitzenergebnis von 40% direkt geholt. Auf den Start der Grünen fällt nach der Personalquerele ein Schatten – sei es, dass die Ämterverteilung nicht gut vorbereitet war oder die Parteispitze nicht genügend durchsetzungsstark. Das Bild der Souveränität nach den vertraulichen Koalitionsverhandlungen in einer schwierigen Dreierkonstellation mit SPD und FDP ist deutlich getrübt. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, begrüßt unterdessen Özdemirs Nominierung als Bundesagrarminister. „Er gilt als pragmatisch, ist Baden-Württemberger. Sie wissen, das bin ich auch“, sagte Rukwied in Berlin.