Nervosität wegen Italien

Finanzmärkte besorgt - Forderung nach Schuldenerlass löst Irritationen aus

Nervosität wegen Italien

Die Gespräche über eine Regierungsbildung in Italien machen Fortschritte. Indiskretionen über Gedankenspiele von Lega und Cinque Stelle zu einem großen Schuldenerlass durch die EZB sorgten hingegen für Irritationen. bl Mailand – Während die Populisten von der rechten Lega und den Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) in ihren Verhandlungen über die Bildung einer neuen italienischen Regierung am Mittwoch offenbar gut vorankamen, sind Wirtschafts- und Finanzkreise zunehmend beunruhigt. Durch eine Indiskretion war ein Programmentwurf aus den Koalitionsgesprächen in die Medien gelangt. Danach soll die Europäische Zentralbank (EZB) Italien Schulden von 250 Mrd. Euro erlassen. Damit würde die Verschuldung von zuletzt 131,8 % des Bruttoinlandsprodukts um 11 Prozentpunkte sinken. Es solle außerdem ein Fonds eingerichtet werden mit zu veräußerndem staatlichen Immobilienbesitz in Höhe von 200 Mrd. Euro. Lega und Cinque Stelle fordern demnach zudem, dass die EU Vorkehrungen trifft, die einen Austritt aus der Währungsunion erlauben. Im Rahmen der EU-Budgetverhandlungen müsse auch der italienische EU-Beitrag neu verhandelt werden, wurde verlangt.Die Finanzmärkte reagierten nervös. Der Spread zwischen zehnjährigen deutschen und italienischen Staatsanleihen stieg auf bis zu 140 Basispunkte. Der Aktienmarkt gab nach, vor allem Bankaktien büßten an Wert ein. Investoren warnen vor einer Umsetzung solcher Maßnahmen. Vincenzo Boccia, Chef der einflussreichen Industriellenvereinigung Confindustria, ist alarmiert: “Wir können nicht verteilen, was wir nicht erwirtschaftet haben”, sagte er. “Ein Euro-Ausstieg wäre eine komplette Dummheit”, fügte er hinzu. Vorschläge “überholt”Lega und Cinque Stelle bezeichneten die bekannt gewordenen Vorschläge als “überholt”. Sie seien in neueren Entwürfen nicht mehr enthalten. Auf Kritik aus der EU-Kommission, die auf die Einhaltung von Verträgen wie dem Stabilitätspakt pocht, reagierten beide Parteien verärgert. Lega-Chef Matteo Salvini verwahrte sich gegen “wiederholte und inakzeptable Einmischungen von Nichtgewählten aus Brüssel”. Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio kritisierte “ständige Angriffe eines gewissen Establishments, das Angst vor Veränderungen hat”.Trotz unklarer Erfolgsaussichten, fortbestehender Gegensätze vor allem in der Immigrationspolitik und Problemen, einen Regierungschef zu finden, der auch die Zustimmung von Staatspräsident Sergio Mattarella findet, kommen beide Parteien nach eigenen Aussagen voran in den Gesprächen. Es gehe um ein Regierungsprogramm für fünf Jahre. Dazu brauche man Zeit und Mut, meinte Di Maio. Mattarella, der vor allem bei der Ernennung des Premierministers mitreden will, soll den Verhandlungspartnern eine Frist bis Montag gegeben haben. Andernfalls gibt es wohl eine Neuwahl. Für Unsicherheit sorgt auch, dass die Mitglieder beider Parteien einer Vereinbarung zustimmen müssten.