Neuer Fokus auf Europas Industrie

Brüsseler Hilfen für den grünen und digitalen Wandel - Schutz der Unternehmen vor unfairem Wettbewerb

Neuer Fokus auf Europas Industrie

Die EU-Kommission hat umfassende Initiativen zur Unterstützung von Industrie und Mittelstand vorgelegt. Diese sollen die Unternehmen bei ihrem grünen und digitalen Wandel helfen und sie zugleich vor unfairem Wettbewerb aus Drittstaaten schützen. Die Förderung von EU-Champions ist danach nicht geplant. ahe Brüssel – Mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen will die EU-Kommission die anstehenden Transformationsprozesse in der europäischen Wirtschaft unterstützen, bestehende Barrieren auf dem Binnenmarkt beseitigen sowie die Wettbewerbspolitik neu justieren. Dabei stehen nicht nur die Fusionskontrolle sowie staatliche Beihilfen noch einmal auf dem Prüfstand, sondern auch die handelspolitischen Schutzmechanismen, mit denen die EU auf wettbewerbsverzerrende Subventionen in Drittländern reagieren kann. Hierzu will die EU-Kommission bis zum Sommer zunächst ein Weißbuch vorlegen, auf dessen Basis dann innerhalb eines Jahres konkrete Gesetzesvorschläge folgen.Die Brüsseler Behörde veröffentlichte gestern eine Industriestrategie sowie eine eigene Strategie für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU). Die Förderung von europäischen Champions, wie sie seit der vor einem Jahr gescheiterten Siemens-Alstom-Zugfusion diskutiert werden, sehen die Pläne der Kommission vorerst nicht vor. Die für Wettbewerb und Digitales zuständige Vizepräsidentin Margrethe Vestager betonte, man baue Champions auf, indem man den Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen schaffe. Ähnlich äußerte sich gestern auch der Maschinenbauverband VDMA. Der Binnenmarkt habe bisher zahlreichen EU-Champions als Basis für ihren internationalen Erfolg gedient, hieß es. Eine Politisierung der Wettbewerbsregeln, etwa in Form einer EU-Ratserlaubnis für Fusionen, sei daher auch abzulehnen.Die Industrie- und die KMU-Strategien der Kommission zielen vor allem darauf ab, die Unternehmen bei ihrem grünen Umbau und der weiteren Digitalisierung zu unterstützen. Dazu nahm die Behörde besonders die energieintensive Industrie sowie die Mobilitäts-Sektoren in den Fokus. Spezielle Allianzen für Wasserstoff, emissionsarme Branchen und Rohstoffe sind geplant.Bei der KMU-Förderung legte die EU-Kommission neben dem Marktzugang zugleich auch den Fokus auf das Thema Finanzierung. Ihre Vorschläge hierzu kamen allerdings vor allem in Deutschland nicht gut an. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) verwies darauf, dass sich die Kommission zu stark auf hochinnovative Unternehmen und Start-ups konzentriere. Gerade das Gros der 25 Millionen kleinen und mittleren Betriebe in Europa, die der Stabilitätsanker der europäischen Wirtschaft seien, bräuchten aber bezahlbare Finanzierungen in allen Unternehmensphasen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verwies auf die in der EU diskutierten Regelungen zur Stabilisierung der Finanzmärkte, zur Vollendung der Kapitalmarktunion und zur Durchsetzung von Nachhaltigkeitszielen. “Die drohende Komplexität hat das Potenzial, die klassische Bankfinanzierung abzuschneiden. Wir brauchen Finanzregulierung mit Augenmaß”, hieß es. Der EU-Abgeordnete Markus Ferber monierte zudem, dass die Kommission das Thema Basel III in ihren Initiativen ignoriere. Hier drohten Unternehmen ohne Kreditrating sehr viel höhere Finanzierungskosten. Das könne den Mittelstand hart treffen. Bundesregierung zufriedenGrundsätzlich erhielten die Initiativen der EU-Kommission für Industrie und Mittelstand allerdings recht positive Beurteilungen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einer “Chance für die Wirtschaft”. Wenn aus den Ankündigungen tatsächliche Politik werde, dann entwickele sich Wirtschaftspolitik zu einer Top-Priorität in Europa. “Die Wirtschaft erwartet, dass die EU-Kommission bis Jahresende liefert, um Klimaschutz mit höherer Wettbewerbsfähigkeit und mehr Arbeitsplätzen in Einklang zu bringen”, unterstrich der BDI.Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier betonte, es müssten alle Kräfte gebündelt werden, um Schlüsseltechnologien in Europa zu stärken. Nur so könnten Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze langfristig gesichert werden. “Wir werden die weitere Umsetzung der EU-Industriestrategie eng begleiten und sie zu einem Kernthema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft machen.” – Wertberichtigt Seite 8