Niederlage für Macri in argentinischen Vorwahlen

Zweite Amtszeit für Präsidenten wird unwahrscheinlicher - Heftige Reaktion der Märkte

Niederlage für Macri in argentinischen Vorwahlen

af Buenos Aires – Eine überraschend hohe Wahlniederlage der argentinischen Regierung hat gestern heftige Reaktionen auf den Finanzmärkten ausgelöst. Nachdem die peronistische Opposition am Sonntag in den verpflichtenden allgemeinen Vorwahlen 15 Punkte Vorsprung erobern konnte, öffneten die Börsen am Montag mit kräftigen Verlusten. Die Landeswährung Peso verlor kurz nach Handelsbeginn bis zu 30 % ihres Wertes zum Dollar, Anleihen gaben um 15 % nach und Aktien bis zu 60 %. Nachdem die Zentralbank den Zinssatz für kurzfristige Geldmarktpapiere (Leliqs) auf 72 % gesteigert hatte, stabilisierte sich der Peso bei Verlusten von 22 %. Die Auswirkungen dieser Turbulenzen dürften die Chancen auf eine Wiederwahl des marktfreundlichen Präsidenten Mauricio Macri bei den Präsidentschaftswahlen am 27. Oktober noch weiter senken als das Ergebnis der Vorwahl allein. Wirtschaft in GefahrDie Schockwirkung war enorm, weil die Regierung wie auch die Finanzmärkte – sowohl in Argentinien als auch weltweit – nur mit einem leichten Rückstand Macris gerechnet hatten. Dieser sei in einer Stichwahl im November trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage noch aufzuholen, kalkulierte man auch an der Wall Street. Die Finanzwelt hatte ihre Berechnungen auf eine Vielzahl von Umfragen gestützt, die allesamt drastisch irrten. Nicht einmal Demoskopen aus dem Umfeld der Opposition hatten einen derart großen Vorsprung vorausgesagt. Die Regierung wird große Mühen bekommen, in den nächsten Wochen einen tiefen Absturz der argentinischen Volkswirtschaft zu verhindern.Der Präsident rief am Montagnachmittag sein Kabinett zu einer Krisensitzung zusammen, Medien spekulierten über die Zukunft von Finanzminister Nicolás Dujovne. In jedem Fall dürfte die Abwertung des Peso die Geldentwertung erneut anfachen, denn große Teile der Wirtschaft berechnen ihre Preise traditionell auf Dollar-Basis. Ende Juni hatte die Zentralbank eine Teuerungsrate von 55,8 % im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet (siehe Grafik). Damals war die Tendenz allerdings leicht rückläufig, was vor allem an den extremen Zinssätzen lag, die von der Zentralbank für Anlagen in Pesos gewährt wurden. So verzinst die Notenbank ihre Schatzbriefe seit einem Jahr mit Sätzen zwischen 58 und 72 %. Nun ist fraglich, ob eine solche Politik noch lange Sinn ergibt. Der Internationale Währungsfonds (IWF), der Argentinien 2018 den größten jemals gewährten Standby-Kredit in Höhe von 56,3 Mrd. Dollar zukommen ließ, dürfte nicht zulassen, dass Teile dieses Geldes verwendet werden, um den Peso zu stützen.Der IWF wie auch die Regierung Macri werden nun dringend Gespräche mit dem Wahlsieger des Sonntags suchen müssen. Alberto Fernández war seit 2003 Kabinettschef von Néstor und Cristina Kirchner, schied jedoch 2008 im Streit über populistische Praktiken und autoritäre Avancen der Kirchners aus. Im Vorjahr näherte er sich der Ex-Präsidentin wieder an, deren parlamentarische Immunität als Senatorin sie vor dem Gefängnis bewahrt. Ihr werden zahlreiche Korruptionsdelikte zur Last gelegt, gegen sie laufen 13 Strafverfahren. Diese Exposition bewog die in weiten Teilen der ärmeren Bevölkerung weiter populäre Kirchner, den ebenso erfahrenen wie raffinierten Fernández an die Spitze ihrer Koalition zu stellen. Vereint konnte das Bündnis die Unterstützung der meisten Provinzgouverneure gewinnen, ebenso moderate Peronisten aus dem urbanen Umfeld, die der autoritären Kirchner zwischenzeitlich abtrünnig geworden waren.Noch ist nicht klar, welche Position Fernández gegenüber den Finanzinvestoren einnehmen wird. Seine bisherigen Signale sind widersprüchlich. Zu Beginn seiner Kandidatur mühte er sich um moderate Töne und sagte zu, die Kreditverpflichtungen seines Landes einzuhalten. Doch in den letzten Wochen des Wahlkampfes waren die Töne kämpferischer und richteten sich vor allem gegen die hohen Zinssätze der Zentralbank.Fernández muss nun hoffen, dass Macri einen erheblichen Teil der “Schmutzarbeit” macht, um am 10. Dezember mit einem abgewerteten Peso einen Wiederaufbau zu versuchen, wie ihn Néstor Kirchner zwischen 2003 und 2007 hinbekam. Damals – nach dem Staatsbankrott – leistete Argentinien jahrelang keinen Schuldendienst. Nun müssen viele Gläubiger befürchten, dass Fernández einen ähnlichen Aufschub der Zahlungsverpflichtungen anstrebt.