LEITARTIKEL

Obamas Job-Problem

Die Zahl der Häuserverkäufe sinkt, die Zahl der Arbeitslosen steigt. Für Barack Obama, den 44. US-Präsidenten, sind das schlechte Vorzeichen für das Jahr, in dem seine Wiederwahl ansteht. Knapp vier Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sind die...

Obamas Job-Problem

Die Zahl der Häuserverkäufe sinkt, die Zahl der Arbeitslosen steigt. Für Barack Obama, den 44. US-Präsidenten, sind das schlechte Vorzeichen für das Jahr, in dem seine Wiederwahl ansteht. Knapp vier Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sind die Vereinigten Staaten als Wirtschaftsnation noch längst nicht wieder da, wo sie vor der Krise waren – auch wenn die Aktienindizes anderes andeuten. Zum Amtsantritt Obamas notierte der S & P 500 bei nicht einmal 840 Punkten. Heute steht er nahe 1 400 Punkten wie zuletzt im Frühsommer 2008. Es sind indes nicht die Aktionäre, die Obama die Wiederwahl sichern können. Nur eine winzige Oberschicht bestreitet ihren Lebensunterhalt mit Anlagegewinnen. Deren Stimmen sind Obama trotz hervorragender Kursperformance indes nicht gewiss. Die Republikaner sind bei den meisten von ihnen beliebter, da sie die Kapitalertragsteuer von derzeit 17,5 % weiter senken wollen.Die Mehrheit der US-Bürger muss ihren Lebensunterhalt derweil mit einem oder auch mehreren Jobs verdienen. Fast die Hälfte von ihnen zahlt aufgrund ihrer geringen Einkünfte keine Einkommensteuer. An der Mittel- und unteren Mittelschicht ist der viel gelobte amerikanische Aufschwung bislang vorübergegangen. Sie haben auch nach mehrjähriger Krise noch immer Angst vor dem Jobverlust und damit dem weiteren sozialen Abstieg. Ihre Gehaltsniveaus ziehen wenig bis gar nicht an wie auch ihre verfügbaren Einkommen. Die Arbeitslosenquote ist zwar vom Höchststand Ende 2009 wieder um 1,8 Prozentpunkte auf 8,2 % gesunken. Für ein Land, das Erwerbslosen nur wenige Monate finanzielle Unterstützung gewährt und das in der Vergangenheit zumeist unter 6 % Arbeitslose hatte, ist die Lage aber weiterhin prekär.Die politische Hypothek, die Obama mit ins Amt nehmen musste, droht ihn vor der Wahl wieder einzuholen: Die bereits voll entflammte Finanzkrise entwickelte sich erst nach seiner Amtsübernahme zum offensichtlichen Flächenbrand für die gesamte US-Wirtschaft. Als der 44. Präsident im November 2009 gewählt wurde, geschah dies mitten in einen rasanten Anstieg der Erwerbslosigkeit hinein. Die US-Arbeitslosenquote betrug 6,8 %. Bis zu Obamas Amtsantritt zwei Monate später war sie auf 7,8 % hochgeschnellt, lag damit aber noch unter dem heutigen Niveau. Der Spitzenwert wurde dann im November 2009 mit 10 % markiert. Im ersten Jahr nach der Obama-Wahl jagte also eine Hiobsbotschaft die nächste. Schlimmer aber ist, dass auch im vierten Jahr seiner Amtszeit der Jobmotor noch stottert. Im März wurden nur noch 120 000 neue Jobs geschaffen, nach über 200 000 in den Monaten zuvor. Auch die Zahl der Anträge auf Arbeitslosenhilfe stieg wieder.Der oft gezogene Vergleich zu Bill Clinton, dem vor Obama letzten US-Präsident der Demokraten, hinkt derweil. Denn der 42. US-Präsident, unter dem die Wirtschaft mehrere Boomjahre erlebte, übernahm das Ruder, als das Land den Höhepunkt der Krise bereits erreicht hatte. Ab seiner Amtsübernahme besserte sich die Lage. Zudem war die Krise Anfang der neunziger Jahre weniger tiefgreifend als die Finanzkrise, deren Folgen bis heute an diversen Brandherden spürbar sind – von der Euro-Staatsschuldenkrise bis zur US-Immobilienkrise.Dennoch sah es bis vor kurzem so aus, als sei Obamas Wiederwahl Formsache. In den sechs Monaten von Oktober 2011 bis März 2012 war die Arbeitslosenquote von 9 auf 8,3 % geschrumpft. Der kräftige Aufschwung sei endlich da, frohlockten Ökonomen. Ausgeblendet haben sie dabei zahlreiche Kontraindikatoren. So sind zwar die Konsumausgaben gestiegen, nicht aber die verfügbaren Einkommen. Die US-Bürger haben also lediglich die Sparquote gesenkt. Der wichtige US-Häusermarkt registrierte zwar ein paar Verkäufe mehr. Das Gros davon ging aber an große Investoren, die spekulierten, dass sich der Häusermarkt angesichts der Konjunkturbelebung erholt. Eine Fata Morgana: Millionen US-Hauseigentümer sind überschuldet. Zudem sitzen die Banken auf unzähligen Immobilien, für die es keine Käufer gibt. Solange sich der US-Arbeitsmarkt nicht erholt, dürfte sich daran nichts ändern. Das simple Rezept von Obamas republikanischen Gegnern heißt Steuern senken – abenteuerlich angesichts eines Billionendefizits. Ein Rezept, das wenigen nützt und viel kostet. Vier Jahre nachdem Präsident George W. Bush die Amerikaner mit dieser Politik in die größte Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten geführt hat, glauben mittlerweile wieder 50 % der US-Bürger daran, dass dieses Rezept wirken könnte. Die Job-Situation im Herbst dürfte daher entscheiden, ob Obama seinen Job behalten darf. ——–Von Sebastian Schmid ——- Vielen erschien die Wiederwahl von Präsident Obama angesichts besserer Arbeitsmarktdaten als reine Formsache. Doch die Erholung ist weniger solide als erhofft.